106 Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung.
Fehler lag nicht in äußeren Umständen, sondern in den innnerpolitischen
Verhältnissen.
Wenn das Kriegspresseamt nach allen Seiten völlige Unparteilichkeit
wahrte und bei der Zuspitzung der Verhältnisse vielleicht noch peinlicher
darauf sah als vorher, so lehnte es doch, dem Standpunkt der O. H. L. ent-
sprechend, jede andere Unterordnung als die unter die Interessen der mili-
tärischen Kriegführung ab.
Das Wort von der Demagogie bestimmter Parteien und ihrer Blätter,
das die O. H. L. in einem Antrag an die politische Reichsleitung gebrauchte,
wurde von dieser als nicht öffentlich aussprechbar bezeichnet. Es paßte
aber auf die Verhältnisse und kennzeichnete die Lage, mit der der Presse-
dienst der O. H. L. zu rechnen hatte. Auch beim Feldheer traten dahin
zielende Bestrebungen zutage. Auf der einen Seite wurde behauptet,
sozialdemokratische Zeitungen und Blätter von der Art der Frankfurter
Zeitung und des Berliner Tagesblattes würden in den Fronten fast aus-
schließlich, jedenfalls weit überwiegend verbreitet. Anderseits behaupteten
Blätter dieser Richtung, sie seien zurückgedrängt, und erhoben Beschwerde
beim Kriegsminister. Diese Gruppe trat gebieterischer auf als die andere.
Die O. H. L. ordnete Feststellungen beim Feldheer und in der Heimat
an. Sie wurden bekannt, denn es lag auch kein Grund vor, sie geheim-
zuhalten. Links stehende Blätter verdächtigten die Anordnung der
O. H. L. der Parteinahme. In der Tat wollte die O. H. L. ein
möglichst zuverlässiges Bild über die Verbreitung der Zeitungen an
der Front gewinnen. Die Feststellungen ergaben, daß im Feldbuch-
handel überall die bereits dargelegten Grundsätze befolgt wurden.
Das Bedürfnis, die Zeitungen aus der Heimat schnell zu haben,
konnte nicht ganz unberücksichtigt bleiben und führte zum überwiegen der
räumlich nächsten Blätter. Die im Postbezug den Truppen zugehenden
Zeitungen überstiegen die Zahl der im Feldbuchhandel gekauften erheblich.
Die Gesamtzahl aller zum Feldheer gehenden Zeitungen überstieg eine
Million. Unter den durch eigenen Postbezug von Heeresangehörigen be-
stellten Zeitungen überwogen die nationaler oder parteiloser Richtung bei
weitem die andern. Im ganzen nahmen sie weit über die Hälfte ein. Die
sozialdemokratischen Blätter hatten nur einen verhältnismäßig geringen
Bezieherkreis, der von dem der Blätter wie Frankfurter Zeitung und
Berliner Tageblatt noch übertroffen wurde. Auch extrem rechts stehende
Blätter bildeten eine kleine Minderheit. Dagegen war es klar, daß diese
Minderheiten überzeugte, für die Richtung der Blätter werbende Leser
hatten und die Blätter selbst infolge ihrer ausgesprochenen politischen
Werbearbeit eine größere Bedeutung besaßen als diejenigen Blätter, die
auf den scharfen politischen Kampf zugunsten der Kriegführung verzichteten.