Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung. 109
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Kriegspresseamt nicht mehr. Sie richteten sich nach dem Beispiel von links.
Auch sie warfen dem Kriegspresseamt Parteinahme, zum mindesten
Charakterlosigkeit vor. Die Presse beider Parteien verlangte durch den
Pressedienst der O. H. L. klare Stellungnahme zu den politischen
Fragen, die mit dem Standpunkt der O. H. L., aus dem öffentlichen po-
litischen Streit herauszubleiben, nicht vereinbar war. So wurde der
politische Einfluß des Kriegspresseamts, der in der Vermittlung zwischen
den Gegensätzen gesucht war und zum Besten der Kriegführung bestanden
hatte, im Streit um Wahlrecht und Friedensresolution zu Grabe getragen.
Pon der Förderung der militärischen Interessen war der Pressedienst
der O. H. L. auf ihre Verteidigung zurückgeworfen. Aber auch das Kampf-
mittel der Verteidigung, die Zensur, war schon unter dem Einfluß der politi-
schen Entwicklung stumpf geworden. Im November 1917 verfügte der
Militäroberbefehlshaber ohne vorherige Verständigung mit der O. H. L.
eine mildere Handhabung der Presseaufsicht, im besonderen eine weitherzi-
gere Behandlung pazifistischer Schriften. Die O. H. L. beanspruchte Mit-
kenntnis und entscheidenden Einfluß beim Inhalt von Zensurbestimmun-
gen. Dem Militäroberbefehlshaber billigte sie nur die alleinige Verant-
wortung für die Durchführung erlassener Zensuranordnungen durch die
Presseaufsichtsbehörden zu. Sie wehrte sich auch gegen jeden Versuch, die
Presseaufsicht parlamentarischem Einfluß zu unterstellen und damit noch
mehr politischen Gesichtspunkten unterzuordnen. Wie notwendig das war
und wie sehr die Durchführung dessen, was die verantwortlichen Stellen in
der Heimat für notwendig hielten, durch politische Rücksichten gelähmt war,
bewiesen die Ereignisse.
Mitte November leitete das Kriegsministerium Maßnahmen ein, „um
dem verhetzenden Treiben der unabhängigen Sozialdemokratie in Volk und
Heer mit allen Mitteln entgegenzutreten“. Die aufrührerischen Vorgänge
in der Marine hatten hineingeleuchtet. Am 1. Dezember bezeichnete aber
das Kriegsministerium ein militärisches Leseverbot gegen Zeitungen der
unabhängigen Sozialdemokratie als „aus politischen Gründen uner-
wünscht"“. Dennoch bildete die Abwehr des verhetzenden Treibens wieder
Gegenstand einer Besprechung mit den Stabschefs der stellvertretenden
Generalkommandos, die das Kriegsministerium am 12. Dezember zu-
sammenberief.
Das verhetzende Treiben griff schnell auf die Blätter der Mehrheits-
sozialdemokratie über. Am 20. Dezember brachte der „Vorwärts“ eine auf-
hetzende Notiz unter der Überschrift „Laßt sie betteln gehen, die Not der
Kriegsbeschädigten“, die in hohem Maße geeignet war, Unzufriedenheit in
die Reihen der Armee zu tragen. Der Oberbefehlshaber in den Marken
als verantwortliche Stelle hielt ein Verbot des Blattes für angebracht. Der