Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

114 Der vaterländische Unterricht. 
Im Mai 1916 gab seine Frage: „Wo bleiben unsere Gelehrten und 
Dichter?" Anlaß, Fühlung zu suchen und zu prüfen, was durch Vermittlung 
des Kriegspresseamts neben dem Pressedienst zur Erhaltung der Volks- 
stimmung von der O. H. L. geschehen könne. Die Fühlung wurde mit dem 
Kulturbund deutscher Gelehrter und Künstler hergestellt, der bereits seit 
etwa Jahresfrist eine aufklärende Tätigkeit entfaltet hatte. Sein Audi- 
torium war aber höchstens die gebildete Mittelschicht, nicht die Masse des 
Volkes gewesen. Als Wortführer des Kulturbundes bei den ersten Ver- 
handlungen nahm Herr Hermann Sudermann den Gedanken der Zu- 
sammenarbeit lebhaft auf. Er fand auch Zustimmung und tatkräftige 
Förderung bei den Mitgliedern des Vorstandes, den Herren Professor 
Dr. Waldeyer, Rudolf Presber, Ludwig Fulda, Professor Dr. Planck, 
Dr. W. Rathenau und Frobenius. Ende Juni 1916 wurde die gemeinsame 
Arbeit mit Vertretern des Reichsamts des Innern, des Ministeriums des 
Innern, des Admiralstabs und des Generalstabs im Kriegspresseamt be- 
sprochen. Diese Behörden sicherten tätige Mithilfe zu. Sie hielten zunächst 
eine Eingabe an den Reichskanzler für notwendig, um dessen sachliche und 
materielle Unterstützung zu erbitten. Der Reichskanzler lehnte Geldzahlun- 
gen ab, da bei den vorhandenen Fonds eine Verwendung für politische 
Propagandazwecke im Inland nicht vorgesehen sei. Die beabsichtigte 
Tätigkeit des Kulturbundes war damit zunächst im wesentlichen 
lahmgelegt. 
Gleichzeitig trat die Reichskanzlei mit dem Plan hervor, die öffentliche 
Meinung durch den „Deutschen National-Ausschuß“ zu beeinflussen, der 
unter Vorsitz des Fürsten Wedel gebildet war und dessen Geldmittel die 
Mitglieder selbst beschafften. Am 4. August 1916 fand das erste öffentliche 
Auftreten durch zahlreiche Redner des Nationalausschusses statt. Mit ihm 
zusammen war die „Deutsche Nachrichtenverkehrsgesellschaft“ gegründet mit 
dem Zweck, die Presse zu bearbeiten. Beides wurde ohne Vorwissen und 
ohne Heranziehung der H. H. L. geschaffen, obgleich die Reichsregierung 
das bei der O. H. L. vorliegende lebhafte Interesse kannte. Überhaupt trat 
hervor, daß sowohl die Reichskanzlei, besonders der Unterstaatsfekretär 
Wahnschaffe und der Geheimrat Riezler, wie der Leiter der Presseabtei- 
lung des Auswärtigen Amts, Geheimrat Hamann, absichtlich in dieser 
Frage zurückhaltend gegen die H. H. L. waren. Dies trug nicht dazu 
bei, das Vertrauen in die von der Regierung eingeleiteten Schritte zu er- 
höhen. Außerdem meldeten stellvertretende Generalkommandos in ihren 
Monatsberichten, es sei zu befürchten, daß die neu gegründeten National- 
ausschüsse mehr der Sache des Feindes als der des Vaterlandes dienten. 
Beide Gründungen schoben die Beeinflussung der öffentlichen Meinung, 
wenigstens nach außen hin, privaten Unternehmungen zu. Zu einem Her-
	        
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