Der vaterländische Unterricht. 123
und wichtigsten Fragen, welche unsere Kampfkraft zu erschüttern drohten,
die auf wirtschaftlichem und politischem Gebiete, immer noch unerörtert
bliebee. Es wurde als unumgänglich notwendig bezeichnet, daß neben die
militärische Aufklärungstätigkeit auch eine von der Regierung einheitlich
und zielbewußt geleitete politische und wirtschaftliche Aufklärung über
unsere Lage gegenüber dem feindlichen Vernichtungswillen trete.
Der Reichskanzler erkannte die Notwendigkeit an, daß die Regierung
die Führung der öffentlichen Meinung übernehmen müsse. In bezug auf
die Presse suchte er dies durch Ernennung eines Pressechefs bei der Reichs-
kanzlei zu verwirklichen. Er äußerte jedoch Bedenken, ob die Reichskanzlei
auch in der politischen Aufklärungstätigkeit führend hervortreten dürfe.
Ein Eintreten für das, was das Heer brauchte, würde — so fürchtete
man — als nicht vereinbar mit dem Geiste der Friedensresolution an-
gesehen werden und zu neuen inneren Kämpfen führen.
Die O. H. L. machte den Vorschlag, daß dann die militärischen Organe
des vaterländischen Unterrichts beim Heer und in der Heimat mit Ein-
verständnis des Reichskanzlers auch die wirtschaftlichen und politischen Ge-
biete zur Erörterung übernehmen könnten. Als unumgänglich notwendig
wurde nur bezeichnet, daß das, was wirtschaftlich und politisch in die breiten
Massen getragen werden sollte, von einer dem Reichskanzler unmittelbar
untergeordneten Stelle geleitet werde. Eine unter solcher Anleitung an die
Offentlichkeit tretende Aufklärungstätigkeit militärischer Stellen zum Zwecke
der Erhaltung unserer Kampfkraft bis zum endgültigen Frieden wurde
als unanfechtbar bezeichnet. Der Antrag des Chefs des Generalstabes des
Feldheeres an den Kanzler schloß: „Wird auf diese Weise eine einheitliche
Leitung der Presse und der Aufklärung baldigst durchgeführt, so glaube
ich, daß die Zügel in den Händen liegen, die sie führen müssen, daß un-
verantwortliche Stellen, die in zunehmendem Maße Einfluß zu gewinnen
trachten, ausgeschaltet werden und daß starke nationale Kräfte, die jetzt
verkümmern, erhalten und gefördert werden“.
Im August 1917 erfolgte die Gründung der Vaterlandspartei. Der
gegen sie aufkommende Sturm im Lager der Mehrheitsparteien scheuchte
die Reichsregierung weiter zurück. Die Dienstanweisung für den Presse-
chef beim Reichskanzler von Anfang September wies diesem daher in der
Hauptsache interne Aufgaben zwischen den Behörden zu, aber nicht die
Aufgabe, die öffentliche Meinung durch Presse und vaterländischen Unter-
richt führend zu beeinflussen. Der Kampf, den man scheute, blieb darum
nicht aus.
In der Oktobertagung des Reichstags entlud sich der Widerspruch der
neugeschaffenen Mehrheit gegen den vaterländischen Unterricht in Angriffen
gegen die Person des Kriegsministers v. Stein. Es war leicht, die durch