Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

126 Der vaterländische Unterricht. 
  
  
  
Grenzen einhielt. Daß in einzelnen Fällen übertretungen vorkamen, war 
bei seiner sachlichen und persönlichen Vielseitigkeit selbstverständlich. Den 
politischen Gegnern einer kampfentschlossenen Stimmung in Volk und 
Heer boten sie willkommenen Anlaß zu Angriffen. Diese Wirkung war 
die bedauerlichste Folge der Übertretungen. 
Die Streitfragen der äußern und innern Politik, besonders die Er- 
örterung der Friedensresolution und der Wahlrechtsfrage, fanden nach 
allen Feststellungen beim Heer nicht das tiefgehende Interesse, das 
einzelne politische Parteien ihnen beilegten. Um so bedauerlicher war es, 
daß diese Parteien und ihre Presse den Streit in das Heer hineintrugen. 
Besonders gegen Ausgang des Jahres 1917 bewiesen zahlreiche „Vor- 
wärts“-Artikel die Absicht, Unzufriedenheit in die Armee zu säen. Der 
Reichskanzler erklärte Zensurmaßnahmen gegen den „Vorwärts“ aus 
Gründen der innern Politik für nicht möglich. Das Kriegsministerium be- 
zeichnete ein militärisches Leseverbot über Zeitungen der unabhängigen 
Sozialdemokratie als aus politischen Gründen unerwünscht. 
Der Generalfeldmarschall beschwerte sich, daß bei den politischen 
Stellen die militärischen Rotwendigkeiten vergessen würden, daß politische 
Rücksichten einseitig und schwächend den Ausschlag gäben. Er stellte sich 
hinter die Armeeoberkommandos, welche den „Vorwärts“, die Blätter der 
unabhängigen Sozialdemokratie, das „Berliner Tageblatt“, die „Frank- 
furter Zeitung“ und die ihnen nahestehenden Zeitungen gegen den Einspruch 
des Kriegsministers vom Feldbuchhandel ausschließen wollten. Er billigte 
ihren Standpunkt, „nicht selbst Lesestoff zu verbreiten, durch den bei Offi- 
zieren und Soldaten Zweifel erweckt werden könnten, ob es noch not- 
wendig sei, mit Aufgebot der ganzen Kraft weiterzukämpfen“. 
Daß unter diesen Umständen einzelne Entgleisungen durch Organe des 
vaterländischen Unterrichts vorkamen, war verständlich. Sie waren un- 
willkürliche Reaktionen gegen die aus der Heimat anbrandenden, den 
Zielen des vaterländischen Unterrichts zuwiderlaufenden Angriffe gegen 
die innere Kampfkraft des Heeres. Politische Verbände, Verlage und 
Zeitungen ebenso wie ausgesprochene Parteipolitiker versuchten, sogar unter 
Anwendung unlauterer Mittel, Einfluß auf den vaterländischen Unter- 
richt zu gewinnen. Die O. H. L. billigte niemals Übergriffe, aber duldete 
auch nicht offensichtliche parteipolitische Beeinflussungsversuche. 
Eine Mitarbeit der Politiker aller Richtungen auf dem Boden, auf 
dem das Heer zu stehen hatte, war dagegen schon immer erstrebt worden. 
Bereits General v. Falkenhayn hatte vorgeschlagen, Abgeordnete des Reichs- 
tags durch Reisen auf die Kriegsschauplätze in engere Verbindung mit der 
Welt des militärischen Kampfes zu bringen. Reichskanzler v. Bethmann 
hatte abgelehnt. Im Januar 1917 war ihm der Vorschlag übermittelt, an
	        
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