Der vaterländische Unterricht. 129
im Bücherei- und Zeitungswesen, in der Errichtung von Soldatenheimen,
in der Veranstaltung von Theater, Konzerten und Kinos zum Ausdruck.
Vielfach haben Hochschulkurse den gebildeteren Kreisen des Heeres geistige
Anregung und Abwechslung geboten. Überall wurde in Auskunftsstellen
der Mann in seinen häuslichen oder persönlichen Sorgen von sachverstän-
digen Vorgesetzten beraten. Der Feldsanitätschef wandte dem vaterlän-
dischen Unterricht in den Lazaretten auf dem Kriegsschauplatz besonderes
Interesse zu. Viel geschah auch in den Sammellagern der aus russischer
Gefangenschaft Zurückkehrenden.
Unsere Verbündeten lernten den vaterländischen Unterricht kennen,
als sie ihn bei den in ihren Reihen kämpfenden deutschen Truppen an
der Arbeit sahen. Die österreichisch-ungarische Heeresleitung vermutete
zunächst einen politischen Beeinflussungsversuch, den nachzuahmen sie bei
den im Heimatland bestehenden politischen Zuständen für ausgeschlossen
hielt. Erst als sie sich überzeugt hatte, daß der vaterländische Unterricht die
Politik aus dem Heer fernzuhalten bestimmt war und den Geist der Truppen
kampfentschlossen halten sollte, griff sie zu ähnlichen Maßnahmen. Noch
später eingeleitet als die deutschen und noch mehr durch innerpolitische Vor-
gänge eingeschränkt, hatten sie kaum eine Bedeutung.
Auf dem bulgarischen Kriegsschauplatz widmete der Oberbefehlshaber
General v. Scholtz dem vaterländischen Unterricht besondere Sorgfalt. Der
Nutzen für die Truppe und für ihren Geist trat offensichtlich hervor. Die
bulgarische Heeresleitung erkannte die Bedeutung dieses Dienstes und ent-
schloß sich im Sommer 1918 zur Einführung. Die vom deutschen General-=
stab erbetene Unterstützung wurde in jeder Weise gewährt. Der Entschluß
war zu spät, die zustandekommende Unternehmung zu gering, um das
politisch völlig zerfressene bulgarische Heer noch durchgreifend erfassen zu
können.
In der Türkei setzte der vaterländische Unterricht erst im November
1917 ein. Er war dort besonders nötig wegen der gänzlichen Abgeschlossen-
heit einzelner deutscher Truppen von der Heimat und der allgemeinen
Gefahr moralischen Herunterkommens. Die große Zersplitterung der
deutschen Truppen wie die weite Entfernung geschlossener Verbände ver-
anlaßten, daß die erste Organisation erst im Mai 1918 durchgeführt war.
Sie lehnte sich im wesentlichen an das Feldeisenbahnwesen an. Der vater-
ländische Unterricht konnte für die Truppen noch manches Gute schaffen, in
unmittelbarer geistiger Beeinflussung ist er nicht mehr über die in Kon-
stantinopel liegenden Truppen hinausgekommen.
In der Heimat lagen die Dinge wesentlich anders. Hier trat die Für-
sorgetätigkeit völlig zurück. Dagegen gewann die aufklärende Tätigkeit
erheblich an Bedeutung. Einerseits standen alle Mittel ihr leichter zur
Nicolat, Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Welkkrieg. 9