182 Die Presse.
Voraussetzung war, daß ein klarer Wille bei einer zu seiner Durch-
führung ausreichenden starken Regierung vorhanden war. Solange beides
fehlte, lastete die ganze Aufgabe auf der militärischen Organisation, die
sich damit abzufinden hatte, so gut sie konnte. Bei aller Kritik, die gegen
die Zensur erhoben worden ist, habe ich niemals positive Vorschläge zu
hören bekommen, wie sie bei den nun einmal bestehenden Verhältnissen ihr
schweres Amt hätte besser oder richtiger führen sollen.
Über die Notwendigkeit und die Berechtigung rücksichtsloser Durchfüh-
rung einer militärischen Zensur bestand nirgends ein Zweifel. Auf Grund
meiner Erfahrungen bin ich der Ansicht geworden, daß in Zeiten, wo das
Vaterland in Gefahr ist, auch eine politische Zensur unabweisbar ist. Denn
letzten Endes ist die Regierung und nicht die Presse für den Ausgang ver-
antwortlich. Die Presse ist zwar geneigt, eine Verantwortlichkeit zu bean-
spruchen, um sich Freiheit zu sichern. Nachträglich wird sie aber jede Ver-
antwortung ablehnen. Eine greifbare Verantwortlichkeit gibt es bei ihr
um so weniger, als mit einem verlorenen Krieg sich meist die Machtverhält-
nisse der öffentlichen Meinung verschieben. Auch jetzt erleben wir es, daß
die für den Verlust des Krieges an ihrem Teil schuldige Presse nicht klar
als verantwortlich dasteht. Nur beim Vorhandensein einer politischen
Zensur sind die Wege der Politik zu erkennen. Voraussetzung sind feste
politische Ziele. Dann aber trägt eine politische Zensur zur bestimmten
Formulierung dieser Ziele und zu ihrer Erreichung bei.
Wenn die O. H. L. im Kriege einen abweichenden Standpunkt ver-
treten hat und nicht gewillt war, der Übernahme einer politischen Zenfur
durch die bestehenden Einrichtungen Vorschub zu leisten, so hatte dies darin
seinen Grund, daß eine politische Zenfur nur dann von den militärischen In-
habern der vollziehenden Gewalt durchgeführt werden kann, wenn sie für
diese Aufgabe vorbereitet und ausgestattet sind. Zwar lag die Zensur fast
durchweg in der Hand von Personen, die anderen Berufen als dem militä-
rischen angehörten. Damit war aber noch lange nicht politisches Verständnis
und vor allem nicht politische Leitung gesichert. Der Aufbau einer politischen
Zensur muß gleichfalls in die Mobilmachungsvorarbeiten zurückreichen.
Wurde sie angesichts der Haltung der Presse im Kriege für notwendig er-
achtet, dann mußte ihre Herbeiführung der politischen Leitung überlassen
bleiben und die Forderung erhoben werden, die in der bei Darstellung
des Pressedienstes erwähnten Weisung an den Chef des Kriegspresseamts
ausgesprochen war, daß sie von der militärischen Zensur reinlich geschieden
blieb. Mit einer Übertragung an Zivilbehörden allein war die Aufgabe
nicht gelöst. Dies hätte die Unklarheit der Verhältnisse nur vermehrt und
den Parteien in der Presse noch größeren Einfluß verschafft. Eine politische
Oberzensurstelle hätte neben die militärische und politische Bearbeiter mit
selbständiger Verantwortlichkeit hätten zu den Zensurstellen der Militär-