Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Die Presse. 185 
  
befehlshaber treten müssen. Zu ersterer war nicht das Auswärtige Amt, 
sondern der Reichskanzler zuständig. Denn es galt nicht nur die aus- 
wärtige, sondern vor allem auch die innere Politik zu schützen. Zu so weit- 
reichendem Hervortreten aber war die Reichsregierung nicht entschlossen. 
Es war auch fraglich, ob sie, als die Schädigungen der Kriegführung durch 
einzelne Blätter sich mehrten, noch die Macht hatte, durchgreifende Maß- 
nahmen gerade gegen diejenigen Parteien und Kreise, die hinter jenen 
Blättern standen, durchzusetzen. 
So behielten wir die unglücklichste Form, die es wohl gibt, die Ver- 
mischung einer militärischen mit einer öffentlich nicht anerkannten und 
amtlich nicht vertretenen politischen Zensur. Um den Erlaß auch politischer 
Zensuranordnungen kamen wir darum nicht herum. In militärischer Hand 
mußten sie um so roher wirken, als fast immer die politische Vorarbeit 
fehlte. Das beste Beispiel dafür war das Zustandekommen der Anweisung 
an die Presseaufsichtsbehörden und die Presse über die Behandlung der 
Proklamation des polnischen Staates. Eine Anfrage der O. H. L. am Vor- 
tage der Proklamation, ob Behörden und Presse unterrichtet und ange- 
wiesen wären, ergab, daß dies nicht geschehen war. Der Generalfeldmar= 
schall hat beim Reichskanzler gegen diesen Vorgang Einspruch erhoben. 
Es blieb nichts anderes übrig, als nun eine in ganz bindender Form ge- 
haltene Weisung ergehen zu lassen. Es genügt, den ersten Satz dieser Ver- 
fügung anzuführen, um erkennen zu lassen, in welcher Form sie gehalten 
war: „Nachdem die von den verantwortlichen Stellen wohlerwogene Ent- 
scheidung gefallen ist, ist es die Pflicht der gesamten deutschen Presse, an 
der Seite der Reichsregierung zu stehen, um usw.“ Es war in der Tat 
nicht anders möglich, die Erörterung in der überraschten Presse auf andere 
als diese drakonische Art im Zaum zu halten. Der Eindruck, daß die 
O. H. L. mehr als tatsächlich hinter dem Zustandekommen der Proklamation 
gestanden habe und an ihrer öffentlichen Anerkennung interessiert sei, 
mußte obendrein in Kauf genommen werden. 
Gegen eine politische Zensur in dieser Form hatte die O. H. L. sich 
schon zur Zeit des Generals v. Falkenhayn mit ganzer Kraft gesträubt 
und sie bis zum Schluß bekämpft. 
Der Schwerpunkt auch ihres Pressedienstes mußte in Berlin liegen. 
Die Orientierung des Chefs des Pressedienstes im Großen Hauptquartier 
war auf zwar möglichst oft herbeigeführte, aber doch immerhin gelegent- 
liche Eindrücke bei Besprechungen in der Heimat, im übrigen auf seine 
Zusammenarbeit mit dem Chef des Kriegspresseamts beschränkt, auf der 
andern Seite durch die Aufgaben der militärischen Kriegführung begrenzt. 
Hatte ich diese der Presse gegenüber persönlich zu vertreten, so mußte ich 
auf Klarheit des von der O. H. L. Gewollten Wert legen. Daraus ist der 
Vorwurf der Schroffheit hergeleitet worden. In den seltensten Fällen war
	        
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