184 Die Presse.
aber ein Paktieren über die militärischen Notwendigkeiten möglich. Für
sie mußte in gewissem Sinne militärischer Gehorsam gefordert werden.
Vor allem galt dies für die Bekundung unerschütterlichen Kampf= und
Siegeswillens, bis das Ziel des militärischen Kampfes erreicht und der
Feind tatsächlich verhandlungsbereit war. Die Schwierigkeit, diesen Stand-
punkt mit der notwendigen Eindringlichkeit zu vertreten, nachdem sie durch
Friedensresolution und Mehrheitsbildung auf den Tiefstand parteipoliti-
scher Betrachtung herabgezogen war, beleuchtet die Schwierigkeiten über-
haupt, denen der militärische Pressedienst sich seitdem gegenüber sah. Es
war keine Frage politischer Art oder eine solche der Freiheit und Eigen-
art der Presse, sondern einfach eine solche des gesunden Menschenverstan-
des, daß durch die Presse kein anderer Geist großgezogen werden durfte
als der, welcher im Heere lebendig bleiben mußte.
Unabhängig davon war, was von den Zuständen in der Heimat mit
Recht der Kritik durch die Zeitungen überlassen werden mußte. General-
oberst v. Moltke hatte in der Weisung vom 13. 8. 1914, die ich an den
Anfang der Darstellung des vaterländischen Unterrichts gesetzt habe, den
sogenannten Burgfrieden gefordert. Mehrere Einzelerlasse hierzu haben
ganz klar erkennen lassen, daß die O. H. L. nicht beabsichtigte, dadurch die
öffentliche Meinung mundtot zu machen. Zusammenfassend ist der Begriff
des Burgfriedens auf Veranlassung des Generals Ludendorff im Einver-
ständnis mit der Reichsleitung folgendermaßen erläutert worden:
„Der Burgfrieden findet seinen Ausdruck in dem Bestreben, den Geist
der Geschlossenheit und Hingabe an die großen nationalen Ziele zu er-
halten, jede Gefährdung der Einigkeit des deutschen Volkes zu vermeiden
und niemals den Eindruck aufkommen zu lassen, als sei der geschlossene
Volkswille zum Siege schwankend geworden.“
„Soweit nicht die militärischen Interessen des Reiches benachteiligt
werden, darf jeder Überzeugung Ausdruck gegeben werden, wenn dies in
geeigneter Form geschieht. Eine — sogar scharfe — sachliche Vertretung
des eigenen Standpunktes in politischen und wirtschaftlichen Fragen ist
demnach ebenso gestattet wie die ruhige Erörterung von Fehlern und Irr-
tümern Andersdenkender."“
„Dagegen müssen alle Verletzungen anderer, die nicht durch die sach-
liche Vertretung der eigenen Meinung geboten sind, insbesondere alle
Schimpfworte, herabziehenden Vergleiche, entwürdigenden Verdächtigun-
gen unbedingt vermieden werden. Jede Unterstellung eigennütziger oder
niedriger Motive bei Verfolgung politischer Ziele, jede Neuentfachung alten
Streites, jede Verhetzung zwischen Volksklassen, Erwerbsständen, Kon-
fessionen oder innerhalb der Presse muß unterbleiben.“"
Jeder kann selbst beurteilen, in wieweit die einzelnen Zeitungen diese
von der H. H. L. an sie gestellten Forderungen beachtet haben und ob die