204 Die Oberste Heeresleitung.
stabs nicht besser ausgebaut war und Einfluß besaß, um ihn zu befähigen,
im Sinne der Kriegführung tatkräftig zu wirken. Am Fehlen einer ar-
beitsfähigen und einflußreichen eigenen Vertretung in Berlin hat die
O. H. L. vom Anfang bis zum Ende des Krieges gelitten.
Der Kriegsminister konnte das nicht sein. Jedenfalls nicht, nachdem
er in der Mehrheitsregierung den Parteien untergeordnet war. Vielleicht,
daß diese Entwicklung durch Behauptung des der militärischen Führung
bei Kriegsbeginn eingeräumten überragenden Einflusses hätte verhindert
werden können. Ich weiß nicht, ob die Vereinigung des Amtes des Kriegs-
ministers mit dem des Generalstabschefs bei Ubernahme des letzteren durch
den Kriegsminister v. Falkenhayn durch andere Umstände geboten war.
Sie führte zwar eine Einheitlichkeit in der militärischen Führung herbei,
verlegte deren Schwerpunkt aber ausschließlich in das Gr. H. Qu.
Die Energie, mit der General v. Falkenhayn die Zügel ergriff, ist
ihm von solchen, die die Verhältnisse nicht übersahen, verdacht worden.
Im Generalstab wirkte sie trotz aller Verehrung für den durch Krankheit
ausgeschalteten General v. Moltke befreiend. Es stürmte auf den General=
stab gerade in jener Zeit durch die Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen
und durch die Erkrankung des Generalobersten v. Moltke außerordentlich
viel ein. Die gleichzeitige Führung der Geschäfte als Generalstabschef
und Kriegsminister konnte General v. Falkenhayn infolgedessen nicht auf-
rechterhalten. Sein Nachfolger als Kriegsminister wurde der General
Wild v. Hohenborn. Ich habe vom Standpunkt der mir zugefallenen Auf-
gaben bedauert, daß dieser im Gr. H. Qu. blieb, anstatt die militärischen
Verhältnisse in der Heimat an Ort und Stelle zu vertreten. Er empfand
zwar bei der O. H. L. die Bedürfnisse der Kriegführung und damit auch
das einer Führung der öffentlichen Meinung am ursprünglichsten, er
wirkte aber nicht selbständig in dieser Richtung. Er bewies innerhalb der
O. H. L. wohl lebhaftes Interesse für diese Fragen, wurde aber dazu ver-
führt, die Ausführung den Organen der Obersten Heeresleitung, zu der
er rechnete, anstatt dem Kriegsministerium zu überweisen. Es fehlte ihm
auch der notwendige ursprüngliche Eindruck der Heimat. Die Bericht-
erstattung an ihn durch sein Ministerium genügte nicht. Über eine Be-
richterstattung verfügte die O. H. L. schon durch die des Kriegspresseamts.
Der „stellvertretende Kriegsminister“ dagegen hatte nicht diejenige Auto-
rität und Selbständigkeit, die für die in der Heimat zu lösenden Aufgaben
notwendig waren.
Ich habe es für mein Ressort begrüßt, als bald nach Übernahme der
Geschäfte durch den Generalfeldmarschall der Posten eines stellvertretenden
Kriegsministers einging und der Kriegsminister seinen ständigen Aufent-
halt in Berlin nahm. Erst damit war wieder volle Klarheit darüber ge-