Die Obersle Heeresleitung. 211
die sie verkörperten. Der Streit konnte also nur auf Kosten der letzten,
dem feindlichen Vernichtungswillen wie dem Machtstreben der Parteien
entgegenstehenden, und vom Volke noch anerkannten Führer ausgehen.
Wenn ich bei meinen weiteren Betrachtungen vor allem den General
Ludendorff und nicht den Generalfeldmarschall v. Hindenburg nenne, so
bleibe ich damit möglichst dem Verlaufe der Dinge treu. Der Abteilungschef
hatte in erster Linie dem Ersten Generalquartiermeister vorzutragen und
seine Entscheidung, bei wichtigeren Dingen seine Vorentscheidung einzu-
holen, ehe er dem Generalfeldmarschall Vortrag hielt. Auf diese Weise
war der Meinungsaustausch mit dem General Ludendorff ein viel regerer.
Er stand bei allen Entscheidungen, der Generalfeldmarschall nur bei den
wichtigsten mit dem Abteilungschef in persönlicher Verbindung. Eine
Verschiedenheit der Ansichten beider ist mir nie entgegengetreten.
Die Zurückhaltung in der allgemeinen Zustimmung zum Wechsel der
militärischen Führung und der für mich hierbei leitenden Gesichtspunkte
hatte zur Folge, daß ich als „Falkenhaynianer“ bezeichnet, beim General
Ludendorff der innerlichen Gegnerschaft verdächtigt wurde. Es geschah
dies zur selben Zeit, als der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg ihm meine
Entlassung nahegelegt hatte. General Ludendorff kannte mein Eintreten
gegen die dem Ansehen der militärischen Führung abträglich gewesene
Wühlarbeit. Er hatte es gebilligt, als ich ihn als Generalstabschef im
Osten deshalb aufgesucht hatte. Auch lag gerade in den ersten Tagen
nach seinem Eintritt in die Oberste Heeresleitung mehrfach Anlaß vor, daß
ich ihn selbst anrufen mußte. Im besonderen war gegen einen in der zum
Auswärtigen Amt nahe Beziehungen unterhaltenden „Magdeburgischen
Zeitung“ über die Amtsführung des Generals v. Falkenhayn erscheinenden
Aufsatz und gegen die Verbreitung einer Schrift des als Hilfsarbeiter im
Auswärtigen Amt tätigen Dr. Paul Rohrbach „Irrtümer der Obersten
Heeresleitung" einzuschreiten. Wer vom General Ludendorff erwartete,
daß er andere als rein sachliche Gründe gelten lassen würde, hatte sich in
ihm geirrt. Er billigte das von mir befolgte Verfahren. Ich habe es
ihm mit doppelter Hingabe gedankt, daß er niemals von mir verlangt hat,
meiner sachlichen Überzeugung aus persönlicher Rücksicht ein Opfer zu
bringen.
Ich will auf die Erscheinungen, die den Wechsel in der militärischen
Führung begleiteten und der Volksstimmung schweren Schaden zufügten,
nicht näher eingehen. Nur ein Beispiel will ich anführen, das bezeichnend
ist für den verhängnisvollen Einfluß Unverantwortlicher, nachdem die Be-
teiligten selbst sich nicht gescheut haben, sich öffentlich dazu zu bekennen.
Der bereits genannte Herr Arnold Rechberg hat in einer im Musarion-
Verlag in München erschienenen Schrift „Reichsniedergang“ seine Angriffe
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