212 Die Oberste Heeresleitung.
gegen die Oberste Heeresleitung zusammengefaßt. In dieser führt er fol-
gendes aus:
„Als ich Ende Juli 1916 den Abgeordneten Erzberger in Berlin
wiedersah, brachte ich ihm gegenüber meine schweren Besorgnisse über die
strategische Leitung des deutschen Heeres, insbesondere auch bezüglich des
steigenden verlustreichen Mißerfolges gegen Verdun, zur Sprache. Herr
Erzberger stimmte meiner Auffassung zu, auch in der Richtung, daß es
notwendig sei, den General v. Falkenhayn in seiner Stellung als Chef des
Generalstabes durch den Feldmarschall v. Hindenburg zu ersetzen. Herr
Erzberger hatte auf den Reichskanzler v. Bethmann Hollweg dahin gewirkt,
in diesem Sinne beim Kaiser vorstellig zu werden. Eine solche Interven-
tion des Reichskanzlers mußte aus dem Grunde schwierig und unsicher
sein, weil der Kaiser dem General v. Falkenhayn schrankenlos vertraute.
Da bestimmte Einflüsse beim Kaiser gegen den Feldmarschall v. Hindenburg
gearbeitet hatten, war der Monarch zudem wenig für den Feldmarschall
eingenommen. Aus diesem Grunde wagte es Herr v. Bethmann nicht,
die Notwendigkeit eines Wechsels in der Heeresleitung beim Kaiser zur
Sprache zu bringen. Ich machte Herrn Erzberger darauf aufmerksam, daß
bei dieser Lage nur die Intervention eines der Bundesfürsten, welche Kon-
tingentsherren waren, also etwa des Königs von Bayern, Erfolg haben
könne. Herr Erzberger fragte mich darauf, ob ich ihm fachmännische Unter-
lagen zu der Frage beschaffen könne. Es traf sich, daß ich schon während
meiner Internierung in Hersfeld mit dem Feldmarschall v. Eichhorn
privatim über die Mißerfolge der Falkenhaynschen Kriegführung korre-
spondiert hatte. Das in den Briefen des Feldmarschalls v. Eichhorn ge-
gebene Material mußte eine ausreichende Unterlage für Denkschriften, wie
Herr Erzberger wünschte, enthalten. Da ich die Eichhornschen Denkschriften
in Hersfeld hatte, reiste ich in meine Heimat zurück und verfaßte die von
Herrn Erzberger gewünschten Exposés. Ich konnte es nicht wagen, diese
Denkschrift durch die Post befördern zu lassen, und so fuhr in der Nacht
die Frau meines langjährigen Dieners Köhler, der selbst im Felde stand,
mit den Schriftstücken nach Berlin zu Herrn Erzberger. Wenige Tage
später las ich in den Zeitungen, daß der General v. Falkenhayn durch den
Generalfeldmarschall v. Hindenburg in der Stellung als Chef des General-=
stabs ersetzt worden sei. Fast gleichzeitig erhielt ich einen Brief des Herrn
Erzberger, der mir die gleiche Tatsache mitteilte und hinzufügte: Es gibt
noch eine Gerechtigkeit. Herr Erzberger hat mir später erzählt, daß er
durch die Militärbevollmächtigten von Bayern und Württemberg bei den
Souveränen dieser Bundesstaaten vorstellig geworden sei und von beiden
die kategorische Forderung erlangt habe, daß der Kaiser den Generalfeld-
marschall v. Hindenburg zum Chef. des Generalstabes des Feldheeres an