Die Oberste Heeresleitung. 221
herauszuhalten, für den Fall, daß es doch berufen sein würde, sich mit der
letzten Kraft dem Vernichtungswerk des Feindes entgegenzustellen. Am
13. Oktober verfügte der Generalfeldmarschall: „Die politischen Vorgänge
der letzten Tage haben auf das Heer, namentlich auf das Offizierkorps,
einen tiefen Eindruck gemacht. Es ist meine Pflicht, die von Seiner Ma-
jestät Allerhöchst berufene Regierung zu unterstützen. — Vor allen anderen
Armeen hat die deutsche das voraus, daß sie und ihr Offizierkorps nie Po-
litik trieben. Daran wollen wir festhalten!“
Der Augenblick zum letzten Widerstand gegen den Feind schien ge-
kommen, als die dritte Antwortnote des Präsidenten Wilson auf unser
Friedensgesuch bekannt wurde. Im Glauben, sich in Übereinstimmung
mit der Regierung zu befinden, erließ der Generalfeldmarschall am 24. Ok-
tober abends folgenden Heeresbefehl:
„Wilson sagt in seiner Antwort, er wolle seinen Bundesgenossen vor-
schlagen, in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten. Der Waffenstill-
stand müsse aber Deutschland so wehrlos machen, daß es die Waffen nicht
wieder aufnehmen könne. Über den Frieden werde er mit Deutschland nur
verhandeln, wenn dieses sich den Forderungen der Verbündeten in bezug
auf seine innere Gestaltung völlig füge. Andernfalls gebe es nur die be-
dingungslose Unterwerfung.“
„Diese Antwort Wilsons fordert die militärische Kapitulation. Sie ist
deshalb für uns Soldaten unannehmbar. Sie ist der Beweis, daß der
Vernichtungswille unserer Feinde, der 1914 den Krieg entfesselte, unver-
mindert fortbesteht. Sie ist ferner der Beweis, daß unsere Feinde das
Wort Rechtsfrieden nur im Munde führten, um uns zu täuschen und unsere
Widerstandskraft zu brechen."
„Wilsons Antwort kann daher für uns Soldaten nur die Aufforde-
rung sein, den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen.“
„Wenn die Feinde erkennen werden, daß die deutsche Front mit allen
Opfern nicht zu durchbrechen ist, werden sie zu einem Frieden bereit sein,
der Deutschlands Zukunft gerade für die breiten Schichten des Volkes
sichert."“
Es stellte sich heraus, daß dieser Heeresbefehl nicht der Ansicht und
dem Willen der Regierung entsprach. Er mußte angehalten werden. Er
wurde die Ursache zur Entlassung des Generals Ludendorff am 26. Oktober.
Der Generalfeldmarschall blieb. Über den Parteien stehend, mahnte
er durch sein Bleiben weiter zur Pflichttreue gegen die Heimat, und war
er der einzige Halt im Zusammenbruch des deutschen Volkes.