Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Die Volksstimmung. 226 
  
baut er seine Hoffnung. Merkt er aber, daß wir der Ansicht sind und sie 
in die Tat umsetzen, daß auch der ein Schwächling und Schädling ist, der 
im Willen zum Durchhalten streikt, dann wird er auch diese Siegeshoff- 
nung, wie so manche andere schon, zu Grabe tragen und zum Frieden 
bereit sein." 
Wie die Friedensziele auch sein mochten, die aus dem Kampf mit 
dem Feinde erwachsenden militärischen Aufgaben ließen sich nur mit einem 
Heere durchführen, dessen Stoßkraft und Tatkraft ungebrochen war. Wie 
konnte dieser aber auf der notwendigen Höhe erhalten bleiben, wenn Par- 
teiführer unwidersprochen und Blätter von der Art der Frankfurter Zei- 
tung und die sozialdemokratischen Blätter ungestraft aussprechen durften: 
„Ihr braucht nicht mehr zu kämpfen“, wie sie es im letzten Kriegsjahr, be- 
sonders vor den großen Entscheidungsschlachten im Frühjahr 1918, mehr 
oder weniger unverblümt taten! Mußten bei der berechtigten Sehnsucht 
nach Hause nicht viele sich von diesem Gedanken in ihrer Handlungsweise 
bis zur Verletzung des Pflichtgefühls beeinflussen lassen, die sonst den un- 
erschütterlichen Glauben in sich trugen, daß unsere Heerführer auch nicht 
einen Mann mehr opfern würden, als die bittere Notwendigkeit erforderte? 
Und gesetzt den Fall, diese Stimmen hatten recht, eine Offensive führte 
nicht zum Sieg, wie stand es dann, wenn der Feind zum Angriff schritt? 
Ein Heer, dessen Denkungsart von Verständigungsgedanken beeinflußt ist, 
dessen Angriffslust geschwunden ist, ist auch nicht mehr fähig, einen Angriff 
zurückzuschlagen. Das haben die Ereignisse im August und September 
1918, das hatte uns schon der Zusammenbruch des russischen Massenheeres 
bewiesen. 
Es ist unmöglich, den in glücklicher Zeit zersetzten Geist eines Heeres 
in der Zeit der Gefahr wieder zu der alten Spannkraft zu steigern. Leicht 
ist es, ein in schwerem Kampfe stehendes Heer zu entnerven und zum Ver- 
zicht zu erziehen, schwer, seine innere Kampfkraft zu erhalten, unmöglich, 
die zerstörte wiederherzustellen. 
Die Erhaltung der Kampfkraft des Heeres in jeder Beziehung war 
Aufgabe der Heimat. Zum mindesten waren Heimat und Kriegsschauplatz, 
Volk und Heer in dieser Beziehung eins. Auch Heimat und Volk waren 
bereit, ihr Bestes herzugeben. Das trat neben allem, was materiell ge- 
leistet und getragen wurde, in der Verehrung zutage, die der Generalfeld- 
marschall v. Hindenburg fand. In den Siegen über die Russen allein war 
sie nicht begründet. Sie war der Inbegriff und die Außerung aller 
Sorgen, Hoffnungen und im Vertrauen auf den Sieg willig ertragenen 
Leiden. Sie war die Sehnsucht nach dem Führer im Kampfe gegen den 
Feind und das Gelöbnis der Gefolgschaft. Diese Verehrung war nicht ge- 
Nicolai, Nachrichtendienst, Presse und Bolksstimmung im Weltkrieg. 15
	        
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