2. Der Nachrichtendienst der Entente und die
deulsche Abwehr.
J n den beiden auf den deutsch-französischen Krieg folgenden Jahrzehnten
betrieb fast nur Frankreich einen militärischen Nachrichtendienst. Er
richtete sich ausschließlich gegen Deutschland und ließ von vornherein einen
planmäßigen Aufbau erkennen. Infolge der veränderten politischen Lage
tauchte in den neunziger Jahren der russische Nachrichtendienst in Deutsch-
land auf. Die Beweise eines gegen Deutschland gerichteten englischen Nach-
richtendienstes reichen bis in den Anfang des Jahrhunderts zurück. Die
Zahl auf England zurückgehender Spionagefälle erfuhr eine schnelle Stei-
gerung. Gleichzeitig mit dem Zustandekommen der Entente cordiale wurde
ein Zusammenarbeiten der Generalstäbe Frankreichs, Rußlands und Eng-
lands erkennbar. Der Ring, den die Entente um Deutschland und Öster-
reich-Ungarn legte, war auf dem Gebiet des Nachrichtendienstes schon 1910
geschlossen.
Die Zahl der wegen Spionage gegen Deutschland beim Reichsgericht
und anderen bürgerlichen Gerichten ausgesprochenen Verurteilungen stieg
von 3 Fällen im Jahre 1907 in stetiger Zunahme auf 51 Fälle im Jahre
1914. Im ganzen fanden in diesen 7½ Jahren vor dem Kriege 135 Spio-
nagefälle vor bürgerlichen Gerichten ihre Aburteilung. Hiervon fielen zur
Last: Frankreich 80, Rußland 41, England 21 Fälle. An mehreren dieser
waren verschiedene Mächte gemeinsam beteiligt. In den Zahlen sind die
durch Militärgerichte erfolgten Verurteilungen von Militärpersonen wegen
Landesverrats nicht enthalten. Auch ihre Zahl ist hoch und zeigte ein stän-
diges Anwachsen. Sie schädigten Deutschland am meisten. Sie hatten in
jedem Falle eine langdauernde, planmäßige Vorarbeit des feindlichen
Nachrichtendienstes zur Voraussetzung. Ein im Kriege erbeutetes gedrucktes
„Verzeichnis deutscher und österreichischer Dokumente, die in den Jahren
1907 bis 1910 durch die Nachrichtenabteilung in Warschau geliefert worden
sind“, führt 120 für die Kriegführung streng geheime deutsche Druckschriften
und Pläne auf. Dieses Verzeichnis gewährte nachträglich einen Einblick
in die Erfolge des feindlichen Nachrichtendienstes vor dem Kriege. Es
stellt nur einen kleinen Ausschnitt dar. Auch ist es klar, daß die vor-
genannte Zahl aufgedeckter Spionageunternehmungen nur gering ist
gegen die derjenigen, die sich tatsächlich in Deutschland abgespielt