26 Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr.
Betätigung des Entente-Nachrichtendienstes, an mehreren Stellen wurde
dieser auch durch Ubermittlung von Nachrichten und sonst amtlich unterstützt.
Eine Unterstützung durch die Bevölkerung fand er besonders in der West-
schweiz und unter dem Einfluß des Geldes in sämtlichen neutralen Grenz-
gebieten. Große Vorteile brachte es dem Feind, daß zum Teil seine Ver-
bündeten erst im Laufe des Krieges offen Deutschlands Feinde wurden.
Bis dahin waren sie als Neutrale in Deutschland nicht behindert. Beson-
ders führten die bis zum Eintritt Amerikas in den Krieg in Deutschland
befindlichen Amerikaner dem Feinde reiche Kenntnisse von den Vorgängen
in Deutschland zu.
Der bei unseren Verbündeten tätige feindliche Nachrichtendienst fand
dort gleichfalls zahlreiche Nachrichten aus Deutschland. Seine Gefährlich-
keit und Ergiebigkeit wuchs, je inniger die Kriegführung die Mitte-
mächte militärisch verschmolz.
So lag der feindliche Nachrichtendienst rings um Deutschland auf der
Lauer. Er bot die Gewähr, daß ihm keine Nachricht von Wert für die
Kriegführung entging, die Deutschlands Grenzen und Fronten überschritt.
Die Quellen flossen durch den lebhaften Verkehr von und nach Deutschland
und durch die ständigen Kampfhandlungen reichlich. Der feindliche Nach-
richtendienst kannte im wesentlichen nur ein Ziel: Deutschland. Aus
Deutschland waren Nachrichten über den ganzen geschlossenen Komplex der
Mittemächte und über alle Fronten zu erhalten. Der deutsche Nachrichten-
dienst dagegen hatte ringsum gegen mehrere gleichwertige, in sich ab-
geschlossene, räumlich weit getrennte und abgesonderte Länder und Fronten
aufzuklären. Während der Entente-Nachrichtendienst nach der Mitte des
Kreifes arbeitete, hatte der deutsche exzentrisch zu arbeiten.
Die Nachrichtensammlung im neutralen Ausland schöpfte aus Zufalls-
quellen. Sie gab dem feindlichen Nachrichtendienst nur lückenhafte Ant-
wort auf die ihm gestellten Fragen. Deshalb fand neben der Nachrichten-
sammlung hinter den Grenzen und Fronten dauernd eine Entsendung von
Erkundern nach Deutschland hinein statt. Solche zu finden, fiel der Entente
nicht schwer. Bei den regen wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen,
die zwischen Deutschland und den angrenzenden Ländern aufrechterhalten
werden mußten, fanden sich ausreichend Persönlichkeiten, die Deutschland
gut kannten, dort gute Beziehungen hatten und einwandfreie
Papiere besaßen. Für die unterste Gattung der Erkunder bot das licht-
scheue Gesindel, dessen Sammelplatz die neutralen Staaten im Laufe des
Krieges wurden, eine reiche Auswahl. Auch deutsche Fahnenflüchtige
wurden unter Ausnutzung ihrer Notlage verführt oder stellten sich in vater-
landsloser Gesinnung zur Verfügung. Es sind ferner Fälle bekannt, daß,