28 Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr.
Volksgenossen und die Rückwirkung auf die Lage der Gefangenen im all-
gemeinen achtete er dabei ebensowenig wie bei Förderung der Spionage
durch Landeseinwohner auf den Kriegsschauplätzen. Als Verkehrsweg zu
den Gefangenen dienten dem Nachrichtendienst Lebensmittelpakete, die
Briefpost, zum Überbringen von Weisungen auch freiwillige Gefangene
und zum Herausbringen der Nachrichten Entlassene.
Internationale Beziehungen aller Art bildeten eine stete Gefahr als
Nachrichtenweg zum Feinde und mußten beobachtet werden. Über einzelne,
dem Ausland entstammende oder durch Heirat mit ihm verschwägerte
Persönlichkeiten des Hochadels sind Gerüchte verbreitet gewesen, die den
Tatsachen nicht entsprechen. Zwar wurde mehrfach mangelndem National-
gefühl entspringende Leichtfertigkeit und Gesinnung festgestellt, die vor-
beugende Maßnahmen notwendig machte. Was sonst aber zum Teil unter
romantischen Einzelheiten erzählt wurde, gehört in das Reich der Fabel.
Ahnliche Erscheinungen wurden in der Hochfinanz beobachtet, während der
Großhandel und die Industrie ihre internationalen Beziehungen vor-
sichtiger gegen die nationalen Pflichten abgrenzten. Den Börsen wandte
der feindliche Nachrichtendienst ständige Aufmerksamkeit zu und suchte die
Gründe für ihre Haltung festzustellen. Mehrfach war die Börse der Aus-
gangspunkt von der Kriegführung schädlichen falschen Gerüchten, aber
auch zutreffende Nachrichten wurden der Börse schnell bekannt und nicht
immer, besonders zu Anfang und Ende des Krieges, mit der nötigen Vor-
sicht behandelt. Das starke Interesse der Börse an den voraussichtlichen
Vorgängen verführte sie zu eigenen Erkundungen. Anderseits war eine
Unterrichtung der Börse nötig, um falschen Gerüchten und ihren Folgen
zu steuern. Die Börse gewann als Nachrichtenquelle für den Feind an
Bedeutung, je mehr er die Wirtschaftsspionage und den Wirtschaftskampf
gegen Deutschland führte. — Freimaurerlogen und katholische Geistlichkeit
wurden als international mehrfach der Beziehungen zum feindlichen Nach-
richtendienst verdächtigt. Diese Behauptungen sind unerwiesen geblieben.
In den besetzten Gebieten fand der Feind allerdings die leidenschaftliche
Unterstützung der katholischen Geistlichkeit. Die Gefahr der auch während
des Krieges gepflegten internationalen Beziehungen der Sozialdemokratie
lagen nicht in der Übermittlung bestimmter militärischer Nachrichten, sie
kamen den Bestrebungen des seindlichen Nachrichtendienstes aber auf
anderen Gebieten entgegen.
Nur der französische Nachrichtendienst hatte vom Anfang bis zum
Ende des Krieges rein militärische Ziele. Diese waren Gliederung und Be-
festigung der deutschen Front, Truppenbewegungen an der Front und von
Ost nach West, Vorgänge hinter der Front und in Deutschland, Neufor-