Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr. 41
Die Mitnahme von Briefen über die Grenze verhinderte die Grenz-
überwachung. Ihr entzogen war die Kurierpost der neutralen Missionen.
Die Prüfung der gesamten Auslandspost auf Geheimschrift erwies sich
bald als notwendig. Zur Verbesserung der Mittel entstand bei III B eine
wissenschaftliche Abteilung von erheblichem Arbeitsumfang, die die zahl-
reichen Postüberwachungs= und etwa 35 Telegrammauswechslungsanstalten
mit chemischen Mitteln ausstattete und sie in der Aufdeckung von Geheim-
schriften unterwies. Bei einer monatlichen Höchstzahl von 9 Millionen
geprüften Postsachen wurde in 1700 Fällen Geheimschrift festgestellt. Im
Wettstreit zwischen Erfindungsgeist und wissenschaftlicher Prüfung siegte
die letztere. Am Kriegsende wurde Geheimschrift nachweislich nur noch
von dem französischen Nachrichtendienst verwandt, besonders für seinen
Verkehr über die Schweiz.
Je größer die Erfolge der deutschen Abwehr im Abfangen von Spionen
und in der Überwachung der Auslandspost wurden, um so mehr gewann
der mit der Länge des Krieges anwachsende Personenverkehr über die
deutschen Reichsgrenzen für den feindlichen Nachrichtendienst an Bedeutung
und wurde damit zu einer Gefahr für die Kriegführung. Jeder von ver-
räterischer Absicht weit entfernte Reisende konnte bei dem umfang-
reichen System der Feinde im Ausland ein Opfer ihres Nachrichtendienstes
werden. Auch die auf die Zertrümmerung des Kampfwillens zielenden
Unternehmungen wählten vorzugsweise den persönlichen Weg. Die mili-
tärische Absperrung der ausgedehnten Landgrenzen bot nur geringen
Schutz. Im Innern erschwerten die besonders in Berlin mangelhafte
Fremdenkontrolle und das Fehlen eines Paßzwanges die Gegenarbeit. Bei
der Grenzüberwachung tauchten, besonders an der holländischen Grenze,
falsche Pässe auf. Die Werbetätigkeit des feindlichen Nachrichtendienstes
unter deutschen Internierten und Fahnenflüchtigen im Ausland fiel auf
fruchtbaren Boden, vorwiegend in Holland und Dänemark. In den ersten
drei Kriegsjahren wurden allein in Berlin 1785 falsche Uniformträger,
darunter 384 falsche Offiziere, verfolgt. Bei der Fülle der auftauchenden
Verdachtsmomente war es außerordentlich schwer, die Abwehr und die
Offentlichkeit vor den Schädigungen planloser Spionenfurcht frei zu halten.
Die einheitlich durchgeführte Eisenbahnüberwachung war das erste der
angewandten Schutzmittel. Neben Tausenden von Fahnenflüchtigen, die
ermittelt wurden, wurde auch festgestellt, daß der französische und der
englische Nachrichtendienst mit der Entsendung von Leuten in deutscher
Uniform Erfolg hatten, ein Verfahren, welches bei dem in Frankreich und
England herrschenden rücksichtslosen Vorgehen der Staatsgewalten unserem
eigenen Nachrichtendienst nicht im entferntesten einfallen konnte. Erheblich