46 Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr.
richtendienstes herauszureden. Alles Derartiges lehnte die O. H. L. ab. Sie
hatte sich jede auf Irreführung hinzielende Maßnahme im In- und Aus—
land vorbehalten und diesen modernsten Zweig der Spionageabwehr unter
ihrer unmittelbaren Aufsicht straff in der Hand. Nur die Armeeoberkom-
mandos hatten das Recht, sich bietende Gelegenheiten, die taktische Auf-
fassung des Gegners irrezuführen, auszunutzen.
Die Erfolge des Abwehrdienstes zeigten sich in der umfassenden Kennt-
nis des feindlichen Nachrichtendienstes, die mit seiner Entwicklung Schritt
hielt. In dieser Beziehung kann dem Abwehrdienst ein voller Erfolg zu-
gesprochen werden.
Infolgedessen war es auch möglich, den Abwehrdienst zweckmäßig aus-
zubauen und den feindlichen Nachrichtendienst auf weiten Strecken lahm-
zulegen. Seine äußere Erscheinungsform hat dieser Erfolg in der großen
Zahl der unschädlich gemachten Organe des feindlichen Nachrichtendienstes.
Zu der Zahl derjenigen, die gerichtlicher Verurteilung zugeführt
werden konnten, kommt die nicht minder große der auf andere Weise lahm-
gelegten und derjenigen, denen zum Bewußtsein kam, daß ihr Treiben
erkannt oder verdächtig geworden war, und die es infolgedessen einstellten.
Die angegebenen Zahlen erfolgter Verurteilungen beschränken sich auf die
ersten drei Kriegsjahre. Eine Zusammenstellung für die gesamte Kriegs-
zeit war bei Kriegsende nicht vorhanden. Es kann aber angenommen
werden, daß die steigende Tendenz, welche die Zahl hatte, bis zum Kriegs-
ende angehalten hat.
Der Spionenfang ist aber nicht Selbstzweck in der Abwehr. Er trat
als solcher zum Schaden der Sache im Abwehrdienst unserer Verbündeten
über Gebühr hervor. Er darf nur Mittel zum Zweck sein. Der Zweck der
Abwehr ist nur dann erreicht, wenn es gelungen ist, zu verhindern, daß
der feindliche Nachrichtendienft seine Ziele erreicht.
Eroberte Karten ließen erkennen, daß der Feind über die Verteilung
der deutschen Streitkräfte im allgemeinen zutreffend unterrichtet war. Das
ist bei der ständigen Gefechtsberührung, die der Feind mit unseren Truppen
hatte oder zum Zwecke der Feststellung herstellen konnte, nicht verwunder-
lich und war auf unserer Seite nicht anders. Dagegen ist es der deutschen
Abwehr im Gegensatz zur feindlichen gelungen, die Vorbereitung großer
Operationen geheimzuhalten und damit ihre hauptsächlichste militärische
Aufgabe zu lösen. In dieser Beziehung ist ein voller Erfolg erzielt. Von
der Masurenschlacht an ist allen größeren Operationen das Moment der
Überraschung gesichert worden. Bei den Kämpfen an der Ostfront trat
dies am sichtbarsten beim Durchbruch von Gorlice—Tarnow zutage. Die
Geheimhaltung glückte aber auch bei den Aufmärschen gegen Serbien und