Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr. 49
auf Feststellungen beschränken. Maßnahmen auf Grund des Festgestellten
mußten den zuständigen Behörden überlassen bleiben. Es schien zweck-
mäßig, die Stelle, nachdem sie vom Abwehrdienst eingerichtet war und ihre
Feststellungen sich bewährt hatten, denjenigen Behörden zu übertragen,
welche für die Abwehr der Umsturzbestrebungen die Verantwortung trugen.
Obgleich die übernahme den politischen Behörden mehrfach angeboten
wurde, verblieb sie dem militärischen Abwehrdienst.
Bereits im Januar 1918 lagen den verantwortlichen Behörden um-
fassende Feststellungen vor. Sie erkannten sie als zuverlässig und wertvoll
an. Groß angelegte Versuche, revolutionäre Flugschriften von der Schweiz
und von Holland her nach Deutschland zu schaffen, wurden wiederholt auf-
gedeckt und verhindert. Im Laufe des Jahres 1918 mehrten sich die Be-
weise, daß die Anstrengungen vom neutralen Ausland her durch die Unter-
nehmungen der russischen Regierung und der russischen Botschaft in Berlin
weit übertroffen wurden. Gleichartige, auf den Umsturz hinzielende Unter-
nehmungen wurden in Berlin, Leipzig, Wien, Budapest festgestellt, ebenso
eine Tätigkeit der fähigsten russischen bolschewistischen Agitatoren und Or-
ganisatoren in Deutschland und der Mißbrauch diplomatischer Vorrechte
durch russische Kuriere. Revolutionäre Flugschriften in tadellosem Deutsch,
die im Ausland festgestellt wurden, tauchten in allen Industriegegenden
Deutschlands und beim Feldheer auf und wurden über diesem abgeworsen.
Unter den russischen Kriegsgefangenen setzte eine kaum behinderte bolsche-
wistische Propaganda ein.
Die Feststellungen des Abwehrdienstes gaben ein umfassendes Bild
auch auf diesem Gebiet feindlicher Arbeit in Deutschland und über deutsche
Mitarbeiter.
In den ersten Novembertagen 1918 zerbrach auf dem Bahnhof Fried-
richstraße eine Kiste, die der russische Kurier aus Moskau mitbrachte. Als
Inhalt wurden Flugschriften in deutscher Sprache festgestellt, die in
wüstester Weise gegen die deutsche Regierung hetzten. Ein Teil von ihnen
deckte sich wörtlich mit denen, die schon seit Monaten in den verschiedensten
Gebieten Deutschlands aufgetaucht waren. Das Oberkommando in den
Marken ordnete die Beschlagnahme des übrigen Kuriergepäcks an.
Es enthielt in sechs weiteren Kisten von etwa 1 chm Inhalt die gleichen
Flugschriften. Das erdrückende Beweismaterial gab Anlaß, dem russischen
Botschafter die Pässe zuzustellen.
Damit waren die Meldungen des Abwehrdienstes bestätigt. Nicht
weniger zuverlässig und erfolgreich waren die Feststellungen in bezug auf
die von England und Amerika über die neutralen Länder getriebene Zer-
setzungspropaganda. Seine eigene Aufgabe hat der Abwehrdienst also
auch gegen den politischen Teil des feindlichen Nachrichtendienstes gelöst.
Nicolal, Nachrichtendienst, Presse und Volksstinmmung im Weldkrieg. 4