Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

74 Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung. 
  
Presse ab. Auch aus ihr heraus traten immer mehr Anfragen un— 
mittelbar an den stellvertretenden Generalstab heran, für die er zwar nicht 
zuständig war, die er aber ohne Schädigung der meist eiligen Sache und, 
ohne zu verletzen oder ohne den Eindruck eines auch bei ihm fehlenden 
Führerwillens zu erwecken, nicht zurückweisen konnte. Bald nach Kriegs- 
beginn begann so eine Hochflut ungeregelter Mitarbeit des Generalstabs auf 
dem Gebiete der Zensur. Wieder war das Kriegsministerium durch das 
Fehlen einer Presseabteilung nicht in der Lage, den Generalstab zu entlasten. 
Eine Zentralstelle für die Zensur war nach den rechtlichen Grundlagen 
nicht möglich. Es konnte sich nur um die beratende Mitarbeit bei der 
Zensur handeln. Daß dies der Generalstab, der mit den kriegerischen 
Ereignissen in engster Berührung stand, übernehmen müsse, darüber 
tauchte bei der Presse und den Behörden einschließlich des Kriegsministe- 
riums anscheinend gar kein Zweifel auf. Wieder stand der Pressedienst 
der O. H. L. vor der Frage, die Dinge laufen zu lassen oder tapfer anzu- 
packen. Er entschied sich für letzteres. 
Anfang Februar 1915 aber erst gewann er die Überzeugung, daß 
dieser Entschluß unvermeidlich sei. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde bei der 
stellvertretenden III B eine Oberzensurstelle geschaffen, die unter dem 
Major v. Olberg als drittes neben die schon bestehenden Arbeitsgebiete des 
Majors Deutelmoser und des Oberstleutnants v. Herwarth trat. Dabei 
wurde erkannt, daß die neue Aufgabe die anderen und eigentlichen Auf- 
gaben des Pressedienstes der O. H. L. überwuchern konnte, sowohl durch 
den Versuch der zuständigen Stellen, Verantwortung und Arbeit abzu- 
schieben, als durch den Umstand, daß die Zensur der Presse fühlbarer war 
als die für sie geleistete übrige Arbeit, und daß sie deshalb mehr ihr Recht 
gegen die Zensurbehörden als Aufklärung über den Krieg beim General- 
stab suchen würde. Auch war das neue Arbeitsgebiet geeignet, das gute 
Verhältnis, das sich zwischen Pressedienst und Presse angebahnt hatte, zu 
gefährden. Die Entlastung des Arbeitsgebietes des Majors Deutelmoser 
von der allmählich entstandenen Mitarbeit in Zenfsurfragen durch Ein- 
richtung der Oberzensurstelle schien also zweckmäßig. 
Anderseits bot die Mitarbeit des Pressedienstes der O. H. L. bei der 
Zenfur Vorteile. Ein Einfluß auf die Durchführung der Zensur konnte 
ihm zwar nicht eingeräumt werden. Diese war Sache der vollziehenden 
Gewalt und blieb ausschließlich bei den Militärbefehlshabern. Die Ober- 
zensurstelle mußte sich darauf beschränken, die allgemeine Unsicherheit im 
Zensurwesen zu beseitigen und die Einheitlichkeit der Zensur herbeizu- 
führen. Das erstere war mehr eine Frage des Rechts, der Organisation 
und der Auslegung. In dieses Gebiet konnte die Oberzensurstelle sich ein- 
arbeiten und unbedenklich bald anerkannte Autorität bei der Presse und
	        
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