Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

78 Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung. 
  
Griechenland, Verdun, die versagende österreichische Offensive aus Tirol, 
die Erfolge der Italiener besonders in der 6. Isonzoschlacht, die Brussilow- 
Offensive im Osten und die Somme--Offensive im Westen sowie der Beginn 
der feindlichen Fliegerangriffe auf Westdeutschland trugen militärisch dazu 
bei. Die Kriegserklärungen Italiens und Portugals hatten untergeord- 
nete militärische, aber eine Bedeutung im Hinblick auf den Friedensschluß. 
Die drohende Kriegserklärung Rumäniens erregte die öffentliche Meinung. 
Ihr Eintritt führte eine außerordentliche militärische Krisis herbei. Diese 
brachte den Wechsel in der O. H. L., der zunächst lange bestehende Reibun- 
gen beendete, von denen auch die OÖffentlichkeit nicht unberührt geblieben 
war. Seit Dezember 1915 warf der Feind Flugblätter über den Fronten ab. 
Die Seekriegführung erlebte in der Skagerrak-Schlacht, durch den Rücktritt 
des Großadmirals v. Tirpitz, durch die amerikanischen Noten zum U-Boot- 
krieg gleichfalls kritische Tage erster Ordnung. Im Innern waren die Ver- 
hältnisse für die Kriegführung durch Errichtung des Kriegsernährungsamts, 
durch die Spaltung in der Sozialdemokratie, durch die Agitation in den 
Hochburgen der Radikalen charakterisiert. Für die Presse wurden die 
Schwierigkeiten in der Beschaffung von Papier und Arbeitskräften un- 
erträglich. 
Die Reichsleitung sah dem Bemühen der Behörden, diesen Ereignissen 
im Zusammenarbeiten mit der Presse gerecht zu werden, untätig zu. Sie 
verspielte ihre Autorität bei Behörden und Presse. Das Auswärtige Amt 
hielt sich weiter zurück. Es vernachlässigte die deutsche Presse und bevor- 
zugte die ausländische. Es verlangte im Mai 1916 eine Zensurverfügung, 
daß Außerungen politischer Natur des Reichskanzlers, des Staatssekretärs 
und höherer Beamter des Auswärtigen Amts vor der Veröffentlichung in 
der deutschen Presse immer, auch wenn sie nichts enthielten, was gegen be- 
stehende Zensurbestimmungen verstieß, der Zensurstelle des Auswärtigen 
Amts vorgelegt werden sollten. Begründet wurde dies damit, daß die 
deutsche Presse vielfach aus der Auslandspresse falsch wiedergegebene 
Außerungen übernahm und dadurch die öffentliche Meinung irreführte. 
Abgelehnt wurde das Verlangen durch die H. H. L. mit der Begründung, 
daß Außerungen, die ausländischen Pressevertretern übergeben würden, 
mindestens gleichzeitig der deutschen Presse zugänglich gemacht werden soll- 
ten. Auf diese Weise sei der Einfluß auf die Behandlung der Dinge gesichert, 
ohne erneuten Eingriff der Zensur in politische Angelegenheiten. Wieder 
trat der für die Kriegführung unheilvolle Zustand zutage, daß die politische 
Pressearbeit der Reichsleitung ausschließlich durch die Presseabteilung des 
Auswärtigen Amts geschah. Daran, was das deutsche Volk über die po- 
litische Seite des Krieges dachte, arbeitete niemand. Innerpolitische Presse- 
führung fehlte erst recht. Die Ministerien des Innern beanspruchten sie
	        
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