Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung. 85
stelle gestellte Aufgabe, für eine gleichmäßige Handhabung der Zensur zu
sorgen.
Eine Erweiterung ihrer Befugnisse wurde nicht beansprucht. Sie
blieb weiter die vermittelnde Stelle zwischen der Verantwortung der
Militärbefehlshaber für die Durchführung der Zensur und den Militär-
und Zivilbehörden, die nach der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 4. August
1915 die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit der durch die Oberzensur-
stelle den Militärbefehlshabern übermittelten Weisungen trugen.
Der preußische Minister des Innern hatte im Abgeordnetenhaus die
Erklärung abgegeben, daß er für Inhalt und Richtung der von bürger-
lichen Behörden ausgehenden Weisungen die Verantwortung übernehme
und sich ihr nicht entziehen werde oder wolle. Vor dem Reichstag hatte
der Staatssekretär des Innern nicht so bündig geantwortet. Im Haupt-
ausschuß hatte er erklärt, daß Zensurerlasse von grundsätzlicher Bedeutung
stets durch das Zusammenwirken aller Zentralstellen zustande kämen, und
daß jeder dieser Erlasse demzufolge auch von der O. H. L. gebilligt sei. Von
Reichs wegen bestand also die Belastung der HO. H. L. auch durch die poli-
tische Zensur fort, obgleich sie politische Zensuranweisungen nicht erließ
und auch sie zu vertreten nicht zuständig war. Das Verhalten der Reichs-
regierung wurde als ein Verkriechen hinter der HO. H. L. empfunden, als
ein Zurückweichen vor der Verantwortlichkeit, anstatt offen und ehrlich die
Kriegsnotwendigkeiten zu vertreten.
In der Presse nahmen die Streitigkeiten zu. Sie entsprangen zum
größten Teil der Überzeugung und Sorge, daß die obersten Stellen im
Reich nicht in vollkommener Übereinstimmung arbeiteten. Dies brachte
den bislang im allgemeinen von der Presse gewahrten Burgfrieden ins
Wanken. Gleichzeitig hatten unter dem Schutz der Parlamente die ersten
Verletzungen des Burgfriedens durch die Parteien stattgefunden.
Die Berichterstattung des Kriegspresseamts an die O. H. L. hatte sich
diesen für die Kriegführung außerordentlich wichtigen Vorgängen zuzu-
wenden. Die Folge war ein Druck der O. H. L. auf das zu ihrer Vertretung
in der Heimat berufene Kriegsministerium. Es zeigte sich eine Verschieden-
heit in der Beurteilung der Lage. Die Befürchtungen des Kriegspresse-
amts für die Entwicklung der Verhältnisse wurden nicht geteilt, der auf
ihnen beruhende Druck der O. H. L. als unbequem empfunden. Ende Juli
1916 erhob daher das Kriegsministerium Einspruch gegen die Berichterstat-
tung durch das Kriegspresseamt über innerpolitische Vorgänge und Zu-
stände, die vorzugsweise Arbeitsgebiet des Kriegsministeriums, seiner
Beurteilung und — soweit es sich um Beseitigung von Mißständen han-
dele — seiner Verfolgung und Regelung unterworfen seien. Hier-
gegen erhob die O. H. L. keinen Einspruch. Sie verlangte nichts anderes.