Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 99. Beschränkungen der Gebictshoheiten. Staatsservituten. 321 
  
(im Gegensatze zur Personalhoheit) als „staatsrechtliches Sachenrecht“. !) In 
negativer Beziehung fungiert die Gebietshoheit als das Recht des Staates, 
Herrschaftshandlungen dritter Staaten auf seinem Gebiete zurückzuweisen, 
soweit nicht durch einen rechtlich maßgebenden Akt, d.i. durch einen Vertrag 
eine Ausnahme begründet ist. Eine solche Ausnahme bildet die Staatsservitut. 
Weil nun das dingliche Moment im Begriffe der Servitut eine Analogie nur 
in den Beschränkungen der Gebietshoheit findet, so müssen von dem Begriffe 
der Staatsservitut anderweite Beschränkungen der Staatsgewalt, die keine 
Beziehung auf das Staatsgebiet aufweisen, ausgeschieden werden. Aber auch 
Beschränkungen der Gebietshoheit, die infolge der Verkehrsgemeinschaft den 
Staaten wechselseitig auferlegt sind, sind keine Staatsservituten im technischen 
Sinne des Wortes. Beschränkungen, die insbesondere mit dem Nachbarverhältnis 
gegeben sind, pflegen als servitutes juris gentium naturales bezeichnet zu werden. 
Aber auch durch Vertrag begründete Beschränkungen der Gebietshoheit sind 
nur dann Servituten, wenn die Beschränkung als eine dauernde dingliche 
Belastung erscheint. Im einzelnen Falle kann es zweifelhaft und schwer zu 
entscheiden sein, ob durch betreffende Stipulationen ein obligatorisches Rechts- 
verhältnis oder eine dauernde dingliche Belastung begründet ist. Keinen Anlaß 
zu Zweifeln werden zeitweise oder auf kündbare Verträge gegründete Beschrän- 
kungen der Gebietshoheit geben. ?) 
III. Staatsdienstbarkeiten können nur zwischen Staaten begründet 
werden, denen das Recht der Disposition über ihr Gebiet zusteht. Privaten 
oder Körperschaften können nach heutigem Recht Hoheitsrechte auf fremdem 
Staatsgebiet nicht eingeräumt werden.) Ist die Dispositionsgewalt des Staates 
über sein Gebiet beschränkt (bei sogenannten halbsouveränen Staaten), 
so wird innerhalb der Grenzen dieses Rechts die Bestellung einer Servitut 
nicht ausgeschlossen sein. Dies gilt auch von neutralisierten Staaten; 
dagegen wird ihnen die Bestellung militärischer Staatsdienstbarkeiten untersagt 
sein. Der Staatenbund kann weder aktives noch passives Subjekt einer 
Staatsservitut sein.‘) Im Bundesstaat sind die verfassungsmäßigen Grenzen 
der Kompetenz des Gesamtstaates und der Einzelstaaten entscheidend. Die 
Bestellung einer Servitut seitens eines Einzelstaates zu Gunsten eines aus- 
  
1) Laband, Staatsrecht (2. Aufl.) I S. 174 ff.; v. Seydel, Bayer. Staatsrecht I 270. 
2) Beispiele von obligatorischen Rechtsverhältnissen: die Neutralisierung der Küsten- 
gebiete des schwarzen Meeres durch den Pariser Vertrag vom Jahre 1656, die durch den 
Berliner Vertrag vom Jahre 1878 Montenegro auferlegte Interdiktion einer Kriegsflagge. 
v. Holtzendorff, HH II 247. Dagegen soll die (durch die Wiener Kongreßakte vom 
Jahre 1815 erfolgte Neutralisierung der an der Schweizer |Grenzo belegenen Provinzen von 
Savoyen — Chablais und Faucigny — nach Clauß (Sff., 146, 147) u. A. als Servitutsverhältnis 
aufzufassen sein. 
3) A. M. Bluntschli, Völkerrecht $ 353; Heffter a.a.0. Siehe dagegen insbesondere 
mit Rücksicht auf das der Familie Thurn und Taxis ehemals zustehende Postrecht und gegen 
die Auffassung dieses Rechts als Staatsdienstbarkeit Geffeken zu Heffter und Clauß 149ff. 
4) Bezüglich der sog. Bundesservituten sind es die einzelnen Bundesglieder, die als aktive 
und passive Subjekte des Rechtsverhältnisses erscheinen. 
Ullmann, Völkerrecht. 21
	        
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