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reichlich aufgewogen. Ältere Seegesetze, Gebräuche der Schiffer und neuere
Gesetzgebungsakte bekunden bei den seefahrenden Völkern eine ziemlich gleich-
mäßige Erkenntnis der erforderlichen Maßregeln und ihrer Handhabung. Diese
übereinstimmenden Anschauungen kommen derzeit vorwiegend in nationalen
Gesetzgebungsakten zum Ausdruck.!) Von letzteren gewann das englische
Gesetz vom 29. Juli 1863 (Regulations for preventing collisions at sea) 2) vor-
bildliche Bedeutung für analoge Gesetzgebungsakte der übrigen Seestaaten,?)
wodurch praktisch ein gleichmäßiges Recht geschaffen ist. Ferner wurde der
„Commercial Code of Signals for the Use of all Nations“ 1857 gleichfalls von
den Seestaaten rezipiert. Im Jahre 1889 tagte in Washington eine Konferenz,
an der 18 Seestaaten beteiligt waren; die Konferenz hatte eine Reihe von
Regeln im Interesse der Verhütung von Zusammenstößen auf See den einzelnen
Staaten zur Annahme empfohlen. Eine Revision des Signalwesens (auf Grund
des oben bezeichneten Code of Signals) erfolgte durch ein englisches Komitee
(1890). Die meisten Staaten rezipierten die betreffenden in Vorschlag gebrachten
Veränderungen. Im Jahre 1900 wurde der revidierte internationale Code of
Signals in England publiziert.*)
$ 104. Völkerrechtliches Verbot des Seeraubes. 5) I. Diesem Verbot
korrespondieren Beschränkungen der Meeresfreiheit, denen die Bedeutung völker-
rechtlich anerkannter Mittel zur Bekämpfurg des Seeraubes zukommt. Der See-
raub selbst erscheint kraft unzweifelhaften Gewohnheitsrechts als völkerrechts-
widrige Handlung. Die anerkannte Völkerrechtswidrigkeit des Seeraubes
legitimiert jeden Staat, durch betreffende innerstaatliche Normen seine Organe
zur Verfolgung von Seeräubern zu ermächtigen; mit der Rechtmäßigkeit des
Zwecks ist auch die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Mittel: der Verfolgung,
Anhaltung und Durchsuchung von Seeräuberschiffen auf hoher See gegeben.
Im Bereiche des Rechts zivilisierter Staaten kann die Anwendung dieser Mittel
nur staatlichen Schiffen zustehen; Handelsschiffe dürfen nur die zur Verteidigung
gegen rechtswidrigen Angriff erforderlichen Gewaltmaßregeln vornehmen und
zwar auch dann, wenn der Angriff gegen einen Dritten gerichtet ist;®) ein
Strafrecht steht ihnen nicht zu. — Die strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung
1) Vgl. Perels, Internationales Seerecht, 117 ff., ferner Prien, Der Zusammenstoß von
Schiffen nach den Gesetzen des Erdballs (2. Aufl. 1899); Henri Rolin, L’abordage (1899).
2) 8 33 betr. dio Pflichten der Führer kollidierender Schiffe fand eine Ergänzung
durch Art. 16 der Merchant Shipping Act vom Jahre 1873. — Über die Merchant Shipping
Act 1894 (57 and 58 Vict. cap. 60 vgl. neuestens Oliver’s Shipping Law Manual: A practical
guide for Shipowners etc. With a Digest of Merch. Sh. Act 1894 (7. ed.).
3) 8. Oppenheim I $ 265.
4) Perels, Verhalten der Seeschiffe bei unsichtigem Wetter (189$).
5) Vgl. insbes. Gareis, HH II 571 ff.; Perels, Internationales Seerecht 108 ff.; v. Liszt
& 26; Stiel, Der Tatbestand der Piraterie (1905): Bonfils p. 592 sq.; Pradier- Fodere V
2. 2491 sq.; Rivier, Prineipes I 248 sq.; Fiore I p. 494sq.; Ortolan, Diplomatie de la mer I,
231 sq.; Westlake 1,177 sq.; PhillimoreI $$ 366 sq.; Travers Twiss 18$ 177 sq ; Hal-
leck I, 444 sq.; Oppenheim 1 88 272 sq.
6) Die früher maßgebende Ansicht von der Rechtlosigkeit des Seeräubers führte natür-
lich zu der Statuierung der Befugnis auch der Privatpersonen und Handelsschiffe, den Scec-
räuber zu verfolgen und zu crgreifen.