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matischen Vertretung und des Schutzes der neutralen Untertanen, die sich in
dem Gebiete der Kriegführenden befinden; besondere Vorteile gegenüber den
Angehörigen des Aufenthaltsstaats können für die neutralen Staats-
angehörigen nicht in Anspruch genommen werden; diese müssen vielmehr die
nachteiligen Wirkungen des Kriegszustandes ebenso wie die Einheimischen
über sich ergehen lassen'); insbesondere sind sie verpflichtet, alle von dem
Kriegsteil zum Schutze und zur Verteidigung des Landes erlassenen Gesetze
und Anordnungen zu befolgen. — Die Frage, ob die Kriegführenden auch
heute noch berechtigt sind, neutrale Schiffe in ihren Häfen zurückzuhalten
und zu Transportdiensten heranzuziehen — sog. jus angariae, droit d’angarie?)
ist streitig). Von dieser Maßregel wurde insbesondere unter Ludwig XIV.
Gebrauch gemacht. Seither verzichteten einzelne Staaten in Verträgen auf
die Anwendung dieser Maßregel, die mit dem heutigen Neutralitätsrecht un-
vereinbar ist, daher derzeit als obsolet betrachtet werden kann. Anderseits
sind allerdings noch in neuerer Zeit Verträge abgeschlossen worden, in denen
Stipulationen bezüglich der Entschädigungsfrage für den Fall enthalten sind,
daß der Kapitän eines Handelsschiffes zu Angarien genötigt worden ist.‘)
V. Im Zusammenhang mit den Interessen und der Stellung der neutralen
Staatsangehörigen steht die Frage nach der Rechtsbeständigkeit des Ankaufs
eines feindlichen Schiffes seitens eines Neutralen während des Kriegs. Handelt
es sich nicht um ein Scheingeschäft, das zu dem Zweck abgeschlossen ist, um
das feindliche Schiff der Wegnahme durch den Gegner zu entziehen, ist also
das Geschäft unbedingt, nicht in transitu und nicht mit Rücksicht auf den
Krieg abgeschlossen, so kann das Schiff nicht in Beschlag genommen und als
feindliches Eigentum konfisziert werden. — Eine andere Frage betrifft die
Rechtsbeständigkeit des Ankaufs einer Prise seitens eines neutralen Staats-
angehörigen. Ein solcher Kauf ist gültig und die feindliche Behandlung des
Käufers ausgeschlossen, ‘wenn die Prise durch prisenrechtliches Urteil dem
Nehmestaat zuerkannt ist.
$ 193. Die Kriegskontrebande:). Es liegt in der Natur jeder Be-
schränkung einer rechtlich anerkannten Freiheit, daß die Betätigung der
zur besonderen Pflicht machen sollen, den Fortbestand des friedlichen Verkehrs nach Mög-
lichkeit zu sichern und zu schützen.
1) Geffeken, HH IV S. 712. Die deutsche Regierung wollte in den Verhandlungen
der HK 1907 eine vollständige Regelung der Rechtsstellung neutraler Personen herbeiführen
und ging insbesondere davon aus, daß Neutrale, die sich friedlich verhalten, von den Wirkungen
des Krieges möglichst verschont bleiben sollen. Die Konferenz hat sich jedoch damit be-
gnügt, in der Schlußakte anzuregen, daß die Frage der Behandlung der Fremden in Ansehung
der Kriegslasten durch besondere Abkommen geregelt werde.
2) Der Ausdruck (&/;agos, der Bote) wurde zur Bezeichnung von Poststation gebraucht.
Vgl. v. Bulmeriniq HH IV, 99; im übrigen Hautefeuille, Des droits et devoirs des
nations neutres etc. Il & 1288.
3) Für ein solches Recht u. a.: Geffcken zu Heffter $ 112; Gareis $ 89; Des-
pagnet Cours 516, 517; Phillimore III, $ 29; Perels, Intern. Scer. 221 ff. — Dagegen
u. 2. Kleen, R. XXV, 282; neuestens auch Oppenheim II, $ 364.
4) Siehe Perels a. a. O. 222. |
5) Kleen, Om Krigskontraband (1858); Derselbe. R. XXV, Dessen Lois et usages