Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

538 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. S 196. 
  
1. Die Zuständigkeit des Prisenhofs ist in der Art geregelt (Art. 3), daß die Entschei- 
dungen der nationalen Gerichte über neutrale Prisen stets, über feindliche nur in den 
Fällen des Art. 3, Ziff, 2!) mittels Rekurses angefochten werden können. — Der Rekurs 
kann in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingelegt werden. 
2. Der Rekurs kann nur von einer Vertragsmacht oder dem Angehörigen einer solchen 
eingelegt werden (Art. 51, Abs. 2). Im übrigen ‚gestaltet sich die Partei- und Prozeß- 
fähigkeit der Beteiligten nach Art. 4 und 5 und zwar in der Art, daß außer den unmittel- 
bar beteiligten (Staaten und Privatpersonen) auch (neutrale und feindliche) Nebenbeteiligte 
im Sinne des Art. 5 den Rekurs einlegen könncn. 
3. Die Wirkungen der Urteile des Prisenhofs sind verschieden; der Prisenhof kann die 
Wegnahme für legal oder für nichtig erklären. Im ersteren Falle ist mit Schiff und Ladung 
nach den Gesetzen des Nehmestaats zu verfahren; im letzteren Falle verfügt der Prisenhot 
die Restitution von Schiff oder Ladung und entscheidet über den Schadenersatzanspruch; 
über diesen auch dann, wenn die Prise verkauft oder zerstört worden ist. Hatte das nationale 
Gericht die Wegnahme für nichtig erklärt, so entscheidet der Prisenhof nur über den Schaden- 
ersatz (Art. 8). 
4. Die Organisation des Prisenhofes (Art. 10 bis 27). Der Prisenhof besteht aus 
Richtern und Richterstellvertretern; entscheidend war für die Auswahl der Personen die 
spezifisch juristische Aufgabe, in der ihre Funktion besteht. Das Gericht ist daher auch nicht 
teilweise mit hohen Seeoffizieren besetzt; nach Art. 18 haben jedoch die streitenden Mächte 
das Recht, zu den Verhandlungen einen höheren Seeoffizier mit beratender Stimme zn ent- 
senden, deren Erfahrung für die sachgemäße Entscheidung von Nutzen sein kann. Die Richter 
werden für die Dauer von 6 Jahren von den Vertragsmächten ernannt. Die Zahl der funk- 
tionierenden Richter ist auf 15 beschränkt. Die von Deutschland, den Vereinigten Staaten, 
Frankreich, Großbritannien, Österreich-Ungarn, Italien, Rußland und Japan (als den größten 
Handels- und Seemächten) ernannten Richter sind ständig (für 6 Jahre) bestellt, die der 
übrigen Vertragsmächte sind in bestimmter, wechselnder Reihenfolge berufen. Hiernach 
fungieren die Richter einzelner Staaten 3 bezw. 2 Jahre. Im Falle eines Krieges sind die 
Kriegführenden stets im Prisenhof vertreten. — Der Hof hat seinen ständigen Sitz im Haag. 
Die Kauzleiarbeiten besorgt das Internationale Bureau; dem Internationalen Ver- 
waltungsrat kommen gegenüher dem Prisenhof dieselben Funktionen zu wie gegenüber 
dem ständigen Schiedshof. 
5. Das Verfahren (Art. 28 bis 50). a) Die Einlegung des Rechtsmittels erfolgt ent- 
weder bei dem nationalen Prisengericht oder bei dem Internationalen Bureau im Haag. b) Das 
Verfahren ist im ganzen ähnlich jenem in Schiedssachen gestaltet; es zerfällt in ein schrift- 
liches Vorverfahren und eine mündliche Verhandlung. c) Betreffende Bestimmungen (Art. 35, 42) 
sichern eine erschöpfende Sammlung des Beweismaterials und die freie Beweiswürdigung. 
d) die Beratung des Prieseuhofs erfolgt nicht öffentlich. Das mit Gründen versehene Urteil 
wird dagegen in öffentlicher Sitzung verkündet und den Parteien von Anıts wegen zugestellt. 
e) Für die Kosten des Prisenhofs haben die Vertragsmächte aufzukommen; zu diesen Kosten 
werden aber auch die Parteien herangezogen. f} Die Wahrnehmung einzelner prozeßleitender 
Verfügungen (während der Abwesenheit der Mitglieder des Prisenhofs) ist einer Delegation 
von Richtern, welche der Prisenhof wählt, zu übertragen.?) 
6. Die Vertragsmächte übernehmen in Art. 9 die Pflicht, sich den Urteilen des Prisen- 
hofs nach Treu und Glauben zu unterwerfen und ihnen in möglichst kurzer Frist nachzu- 
kommen. 
  
1) a. Wenn es sich um feindliches Gut auf neutralem Schiffe, b. um Wegnahme eines 
feindlichen Schiffes in neutralem Gewässer und c. um einen Anspruch auf Grund der Be- 
hauptung einer vertragsmäßigen Stipulation unter den beiden Kriegsteilen oder einer Rechts- 
vorschrift. des Nehmestaates handelt. 
2) Der Prisenhof hat seine Geschäftsordnung zu normieren und Vorschläge wegen Ab- 
änderung der Bestimmungen über das Verfahren zu machen.
	        
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