Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

544 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. ihre Erledigung etc. 8 199. 
  
Als ein wesentlicher Bestandteil der Friedensverträge hat sich die sog. Amnestie- 
klausel ausgebildet, so daß der Inhalt derselben auch ohne ausdrückliche Formulierung mit 
dem Friedensschluß als gegeben anzusehen ist. Die Amnestieklausel hängt mit dem Grund- 
gedanken des Friedensschlusses als definitiver Beseitigung des Streitfalls zusammen '); sohin 
sollen auch die während des Krieges zugefügten Verletzungen und Beschädigungen nach dem 
Friedensschlusse keinen wirksamen Titel von Reklamationen, Klagen usw. abgeben können ?); 
dabei können aber nur solche Tatbestände in concreto unter die Klausel subsumiert werden, 
die mit dem Kriege und den durch den Kriegszustand angefachten Leidenschaften in Zu- 
sammenhang stehen?). Die in den Verträgen in der Hauptsache regelmäßig angewendete 
Formel der Amnestieklausel spricht von dem „politischen Verhalten“, den „politischen und 
militärischen Handlungen“ *, während des Krieges. — Gegen die Ausschließung von Ver- 
letzungen des Kriegsrechts und der Kriegsgebränche von der Amnestie sprechen evidente 
Gründe der Zweckmäßigkeit und der Zweck des Friedensschlusses selbst. 
Eine Bestimmung allgemeiner Art pflegt bezüglich des Wiederauflebens der vor dem 
Kriege abgeschlossenen Verträge aufgenommen zu werden.®) Sie ist indessen nach dem oben 
(8. 474, 475) über den Einfluß des Kriegsausbruchs auf das bestehende Vertragsrecht Gesagten 
überflüssig, da jene Verträge, die hier überhaupt in Frage kommen, während der Dauer des 
Krieges in ihrer Wirksamkeit lediglich suspendiert waren, daher mit der Wiederkehr fried- 
licher Beziehungen von selbst wirksam werden, soweit nicht die speziellen Verabredungen in 
dem Friedensvertrage (die gerade bezüglich des Vertragsrechts sehr zahlreich zu sein pflegen), 
eine Änderung der früheren Vertragsverhältnisse herbeiführen.‘ 
Die Gegenstände der besonderen Bestimmungen der Friedensverträge sind sehr 
zahlreich; nur die am häufigsten in der Praxis vorkommenden mögen hier berührt werden. 
Eine der praktisch wichtigsten Bestimmungen, die in mehrfacher Beziehung Anlaß zu 
Additionalverträgen gicbt, ist die Zession von Gebietsteilen; damit sind vor allem Stipu- 
Jationen iiber die neuen Grenzen, tiber das Auswanderungs- und Optionsrecht der Einwohner 
des zedierten Gebiets verknüpft. Anderweite Wirkungen der Gebietszession äußern sich auf 
den verschiedenen Gebieten der Staats- und der Selbstverwaltung, auf dem Gebiete der 
  
bis 1671 diese Delikte den gemeinen Delikten gleichgestellt. Den entgegengesetzten Stand- 
punkt nahm Frankreich ein. Ebenso neuestens Despagnet, Cours p. 60%. 
1) So hat schon Gudelinus, De jure pacis (1620) die substantia pacis in der am- 
nestia erkannt. 
2) Vgl. H. Cocceji, De pustl. in pace ex amnestia (1691); Heffter $ 160; Philli- 
more, Comm. IIL p.702sq.; v. Kirchenheim a.2.0. 8.607; Rivier, Principes Il p. 455g. 
9) Die Amnestieklausel kann daher keine Anwendung finden auf Ansprüche des einen 
Kriegsteils gegen den andern, die vor dem Ausbruch des Krieges entstanden waren und außer 
Zusammenhang mit dem nunmehr cerledigten selbständigen Streitgegenstande stehen; ferner auf 
die vor dem Ausbruch des Krieges entstandenen Ansprüche von Angehörigen der einen 
Partei gegen solche der anderen Partei, auf die zwar während des Krieges aus rechtmäßigen 
Gründen gegen Angehörige der anderen Partei entstandenen Ansprüche, auf Schulden der 
Kriegsgefangenen, Ranzonierungsgelder, Schuldverschreibungen für erlaubte Requisitionen (#. 
oben S. 495), endlich auf privatrechtliche Ansprüche dritter Mächte. Vgl. Heffter & 10. 
Bezüglich der von der Amnestie ausgeschlossenen Strafansprüche siehe die bei v. Kirchen- 
heim a a. ©. S. 80$, 809 aufgezählten Fälle. 
4) Frankfurter Frieden von 1871 Art.2, Abs.2: „Kein Bewohner der abgetretenen 
Gebiete darf in seiner Person oder seinem Vermögen wegen seiner politischen oder 
militärischen Handlungen während des Krieges verfolgt, gestört oder zur Untcr- 
suchung gezogen werden.“ — Andere Verträge mit Amnestieklauseln 8. bei Fleischmann, 
83,6, 7, 31, 34. 89, 51, 62, 77. 
5) Beispiele: Art. 13 des Prager Friedens von 1866; Art. 11 des Frankfurter Friedens 
von 1871. 
6), Hiemit steht zumeist die Bildung von Konmissionen zur Revision der Verträge in 
Zusammenhang. Vgl. z. B. Artt. 11, 15 des Frankfurter Additionalvertrags vom 11.Dez. 1971
	        
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