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muß und nicht gezwungen werden darf, nur die Interessen
gelten zu lassen, für die zufällig gerade die Mehrzahl der Ab-
geordneten stimmt; aber wenn König Wilhelm zurückgetreten
wäre, so hätten die Abgeordneten das doch auch als einen
Sieg des Parlaments über die Krone angesehen, und das
durfte nicht sein, das konnte kein Hohenzoller dulden.
Und da war es, wo sich König Wilhelm an den Mann
wandte, der nachher Fürst Bismarck wurde. Damals hieß er Herr
von Bismarck-Schönhausen. Er war eigentlich auch Parla-
mentarier; in den ersten Parlamenten, die in Preußen gewählt
wurden, war er Abgeordneter. Schon damals wurde man
dadurch auf ihn aufmerksam, daß er kühn und entschieden
gegen die Revolution sprach zu einer Zeit, wo es Sitte war,
die Revolution als etwas Gutes anzusehen. Herr von Bis-
marck war dann nach Frankfurt am Main geschickt worden
als preußischer Gesandter am Bundestag. Der Bundestag
bestand nämlich aus den Gesandten aller deutschen Länder
und beriet, was die Deutschen gemeinsam tun wollten. Aber
sie taten damals sehr wenig gemeinsam; über das meiste
konnte man sich nicht einigen. Namentlich daß Deutschland
eine bessere Armee haben mußte, als es damals hatte, und
daß der König von Preußen der natürliche Oberfeldherr für
dieses Heer war, das wollten die anderen Länder nicht ein-
sehen. Und Osterreich glaubte damals auch, daß Preußen
und die anderen deutschen Länder gar keinen eigenen Willen
haben dürften, sondern nur dazu da wären, den Osterreichern
zu helfen, wenn diese etwa mit den Russen und Italienern
oder Franzosen Krieg bekämen. In diese Gesellschaft kam
nun Bismarck als sehr ungelegener Gast hinein, denn er
zeigte bald, daß Preußen sich nichts mehr gefallen ließe und
ganz und gar nicht gesonnen wäre nach Osterreichs Pfeife
zu tanzen. Er sah aber auch, daß es ohne Krieg zwischen
Preußen und Osterreich nicht abgehen würde, weil doch nicht