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haben, so sei auch hauptsächlich nur unser Vaterland hervorgehoben.
Das größte Ereigniß blieb offenbar die Reformation. Unser Vater-
land war von Gott ausersehen worden, die Stätte zu werden, von
welcher die gereinigte Lehre über andere Länder ausgehen sollte.
Ebenso war Luther ein Sachse, den Gott als Werkzeug hierzu be-
nutzte, und unter den Fürsten, welche das Werk der Reformation
mächtig schützten, nahmen die sächsischen Kurfürsten den ersten Rang
ein. Dieses Werk trennte Millionen von Christen von dem Papste
und seinen Cardinälen. In Glaubenssachen wurde Gottes Wort die
alleinige Regel und Richtschnur, und kein Mensch konnte mehr vor-
schreiben, was man in Gewissenssachen glauben sollte. Der Gottes-
dienst wurde einfacher, in deutscher Sprache sang die Gemeinde Gott
ihrem Herrn Loblieder und eine Menge Gebräuche und Ceremonien
wurden abgestellt. Nur in Sachsen allein hob man über 200 Klöster
auf, und ein großer Theil Mönche und Nonnen trat wieder ins Leben
ein, um mit dem Beten zugleich auch das Arbeiten zu verbinden.
Ein neues geistiges Leben regte sich fast überall, es war als
wenn die Menschen aus einem langen, langen Schlafe erwachten, und
unsern Fürsten gebührt das große Verdienst, daß sie nichts verab-
säumten, um die neue Zeit recht segensreich für ihre Unterthanen
werden zu lassen. Sachsen gelangte damals in Deutschland zu einem
außerordentlich hohen Ansehen und sein Einfluß auf andere Länder
war von größter Bedeutung.
Die sächsischen Länder zählten damals vier Universitäten: Leipzig,
Erfurt, Wittenberg und Jena, und überall gründete man Schulen,
um das arme Volk aus den Fesseln der Unwissenheit zu erlösen.
Wie groß dieselbe damals war, können wir uns jetzt kaum vorstellen.
Nur einige Beispiele mögen zeigen, wie traurig es in dieser Hinsicht
aussah. Im Jahre 1501 brach in Sachsen eine Seuche aus, die
eine große Menge Vieh wegraffte. Da hieß es allgemein, die Knechte
der Scharfrichter hätten die Weiden vergiftet. Man nahm viele dieser
armen Leute gefangen, zwang ihnen durch allerlei Martern ein Ge-
ständniß ab, und die Behörden verurtheilten sie ohne Gnade und
Barmherzigkeit zum Feuertode. — Als ein Mann in Süddeutschland")
die Prophezeiung in die Welt schickte, daß im Jahre 1524 eine all-
gemeine Sündflut, wie zu Noahs Zeiten, ausbrechen würde, schafften
die Schiffer in Pirna, Dresden, Meißen und in den anderen Elbstädten
Kähne auf die Oberböden, und andere Leute kauften sich lange Seile,
um sich so gut als möglich aus der Gefahr zu retten.
So gelang es ferner dem Prediger Stiefel in Lochau, das Volk,
selbst gebildete Leute, durch eine falsche Prophezeiung in Furcht und
*) M. Johann Stüfler in Tübingen.