— 286 —
hatten dieselben auch fast 3 Millionen Mark gekostet, eine Summe, womit
August der Starke Werke auf Jahrhunderte hinaus hätte schaffen können.
Geben wir auch zu, daß er durch sein glanzvolles Auftreten zugleich
auch Sachsens Ansehen nach Außen hin erhöhen wollte, so bleibt es
doch zu bedauern, daß das an sich recht lobenswerthe Bestreben nicht
zur Anwendung anderer Mittel führte. Ein so begabter Mann, wie
August der Starke, hätte Sachsen auf dieselbe Weise zu Ansehen
bringen können, wie Vater August. Unter diesem sahen wir auch
Fremde in Sachsen, aber nicht als Theilnehmer an Freude und Lust,
sondern als Lernbegierige, welche die musterhaften Einrichtungen
kennen lernen wollten, um sie dann in ihrem Vaterlande zur Ein—
führung zu bringen.
78. Volkssitten. Volksbildung. Schulunterricht. Innungsgebräuche.
Tod Eriedrich August I, den 1. Februar 1733.
Augusts Prachtliebe äußerte ihren Einfluß zunächst auf die
höheren Stände. Diese überließen sich damals einer Verschwendung
in Kleidung und in Vergnügungen, wie sie jetzt nur selten vorkommt.
Nur der Bauern= und der Bürgerstand hielt beharrlich an seinen
einfachen Sitten fest. Im allgemeinen begnügte man sich in diesen
Kreisen mit den Hochzeits-, Tauf= und Kirmes-Vergnügungen; nur
erhielten dieselben durch die Aufnahme eines neuen Gastes bei den
Männern eine etwas andere Gestalt. Dieser neue Eindringling war
nämlich die Karte. Mit dem Kartenspiel wurde damals ein so arger
Mißbrauch getrieben, daß die Obrigkeit gegen dasselbe die härtesten
Verbote erlassen mußte.
Gleichzeitig mit diesen Verboten erschienen unter August dem
Starken Verordnungen, welche die Bildung des Volkes heben sollten.
Es wurde nicht blos, wie schon früher geschehen, der Schulbesuch der
Knaben auf dem Lande gesetzlich geregelt, sondern auch den Eltern —
und zwar zum ersten Male — zur Pflicht gemacht, ihre Töchter an
dem Schulunterricht Theil nehmen zu lassen. Zwar war der Unterricht
in den Land= und in den unteren Stadtschulen damals lange nicht
so vollkommen wie jetzt, aber er brachte doch reiche Früchte, denn das
Beispiel der Erwachsenen wirkte segensreich auf die Jugend. Die
Landleute und die mittleren und unteren Stände in der Stadt hielten
streng auf Zucht und Sitte, besuchten den Gottesdienst sehr regel-
mäßig und gingen so fleißig zum heiligen Abendmahle, daß die Zahl
der Communicanten in einer Stadt von 2—3000 Einwohnern ebenso
groß war, als jetzt bei einer Bevölkerung von 8—12 000. Und
daß es bei vielen ein reiner und unbefleckter Gottesdienst war, gab
sich besonders auch darin kund, daß man die Waisen und Witwen in