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überging. Um den Patienten zu retten, mußte man zur Ablösung
der großen Zehe an diesem Beine verschreiten.
Im Januar (den 10.) 1733 verließ der Kurfürst abermals
Dresden, um zur Eröffnung des Reichstages nach Warschau zu reisen,
wohl nicht ahnend, daß er sein schönes Sachsenland nicht wieder sehen
würde. Da sein Gesundheitszustand leidend und die Jahreszeit rauh
war, so rieth man zum Aufschub der Reise, allein der Kurfürst er—
widerte: „Ich fühle die mir drohende Gefahr, doch bin ich verpflichtet,
mehr Bedacht zu nehmen auf meine Völker, als auf meine Person.“
Warschau wurde vom Kurfürsten glücklich erreicht, aber sofort brach
an dem kranken Beine das alte Uebel wieder aus. Abermals stellte
sich an dem offenen Fußschaden der Brand ein und diesmal mußten
alle Hoffnungen auf Wiedergenesung aufgegeben werden. Mit stiller
Ergebung sah der Patient seiner Auflösung entgegen. Noch einmal
gedachte er seines Sachsenlandes, traf noch einige Anordnungen für
seinen Sohn und Nachfolger, bestimmte ferner, daß sein Leichnam in
Krakau beigesetzt, aber sein Herz (in einer silbernen Kapsel) nach
Dresden übergeführt werden sollte. Hierauf bedeckte er mit der einen
Hand seine Augen und schloß dieselben den 1. Februar 1733 im Tode.
Am 3. Februar traf die Nachricht von dem erfolgten Ableben
des Kurfürsten in Dresden ein. Sogleich wurden die Thore gesperrt,
Stafetten wurden nach allen auswärtigen Höfen abgeordnet und die
Minister, sowie die übrigen Staatsbeamten und das Militär leisteten
dem neuen Landesherrn den Eid der Treue.
79. Kurfürst Friedrich August I.
Wahl zum König von Polen (August III.). — Premierminister Graf Brühl.
August der Starke und seine edle Gemahlin, Christine Eber-
hardine, besaßen nur ein Kind, und zwar den Prinzen Friedrich August,
der im 38. Lebensjahre unter dem Namen Friedrich August II.
seinem Vater als Kurfürst von Sachsen in der Regierung nachfolgte.
Da wir seine Jugendgeschichte schon früher kennen gelernt haben
(Seite 241), so beginnen wir sogleich mit seiner Regierungsthätigkeit.
Diese erstreckte sich, wie bei seinem Vater, auf zwei Länder: auf
Sachsen und Polen. In Sachsen wurde dem neuen Kurfürsten unter
lautem Jubel sogleich gehuldigt, in dem uneinigen Polen mußte sich
aber Friedrich August die Krone erst erkämpfen.
Anfangs schien unser Kurfürst durch den Besitz des schönen
Sachsenlandes vollkommen zufrieden gestellt zu sein, nach dem unglück-
lichen Polen gelüstete ihn nicht. Dies paßte aber gar nicht in die
Pläne des Kabinetsministers von Brühl, der es meisterhaft verstand,
sich das unbegrenzte Vertrauen seines fürstlichen Herrn zu erwerben.