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Natürlich wuchs Brühls Einfluß und Macht außerordentlich, sobald
der Kurfürst zugleich auch sein Scepter über Polen schwang. Er setzte
daher alle Mittel in Bewegung, die Sehnsucht nach Polens Königs-
krone in dem Gemüthe seines Herrn wachzurufen. Brühls Bemühungen
blieben nicht erfolglos, der Kurfürst bewarb sich um den erledigten
Königsthron, allein es war ihm bereits ein Anderer zuvorgekommen.
Der König von Frankreich, Ludwig X ., bot nämlich alles auf,
seinem Schwiegervater, Stanislaus Lescinsky, zur polnischen
Königskrone zu verhelfen. Es war dies derselbe Fürst, welcher vom
Jahre 1705 bis 1709 diesen Thron schon einmal innegehabt hatte
(Seite 250) und der jetzt abermals von einer Partei feierlich zum
Könige ausgerufen wurde. Unser Kurfürst hatte aber an Rußland
einen mächtigen Bundesgenossen. Als daher ein russisches Heer von
20 000 Mann nach Warschau vorrückte, mußte Stanislaus die Flucht
ergreifen. Unser Kurfürst wurde hierauf als August III. zum Könige
gewählt, welche Wahl man eiligst in Sachsen verkündete. Ein Hof-
staat von fast 1000 Personen mit 1300 Pferden und 200 Packwagen
zog dem Kurfürsten nach Polen voraus, dieser reiste einen Monat
später nach, und im Jahre 1734 erfolgte die feierliche Krönung.
Nicht ohne weiteres entsagte Stanislaus der polnischen Krone.
Das befestigte Danzig diente ihm als Bollwerk, von wo aus er seine
Ansprüche fortsetzen wollte. Da erschien ein russisches Heer vor
Danzigs Mauern. Nach einer fünfmonatlichen Belagerung mußte
sich die Stadt ergeben, und um nicht in die Hände der Sieger zu
fallen, ergriff Stanislaus, als Bauer verkleidet, die Flucht. August III.
befand sich nun unangefochten im Besitze seiner Königskrone, die er
auch bis an sein Ende behauptete.
So konnte dem Anscheine nach unser Kurfürst zu den glücklichsten
Fürsten der Erde gezählt werden, ebenso konnte man hoffen, daß
Sachsen und Polen unter seinem Scepter die schönste Zukunft zu
erwarten habe, denn Friedrich August II. besaß ein durch und durch
wohlwollendes, gutmüthiges Herz, das bereit war, alle glücklich zu
machen. Ueberdies führte er ein musterhaftes Familienleben und
ward auch in dieser Hinsicht seinen Unterthanen zum leuchtenden
Vorbilde. Mit den schönsten Hoffnungen begrüßte man seinen Re-
gierungsantritt, da er allen seinen Unterthanen freien Zutritt versprach,
sobald sie ihm ihre Anliegen unmittelbar vortragen wollten. Leider
wurden jene Hoffnungen nicht erfüllt, und daß dies nicht geschah, ist
die Schuld eines der gewissenlosesten Minister, von dem die sächsische
Geschichte zu berichten hat. Da dieser Mann den Kurfürsten auf
jedem Tritt und Schritt umgab wie der Schatten seinen Körper und
auf alle Regierungsangelegenheiten den größten und bald auch den
alleinigen Einfluß ausübte, so müssen wir ihn hier schon zum Ver-
ständniß der Geschichte genauer kennen lernen.
Geschichte Sachsens. 19