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betrauert. Auf dem Gottesacker zu Leubnitz schlummern seine Gebeine,
und ein einfacher Leichenstein trägt folgende Inschrift:
Dem forschenden Wandrer ein Muster
Als Vater, als Gatte, als Freund.
Den Lohn seiner Tugend erwartend,
Schläft Pahlitzsch in dieser Behausung.
Für jeden strebsamen Menschen müßte es niederschlagend sein,
sobald große, berühmte Männer nur immer hohen Ständen ent—
sprossen wären. Die Geschichte liefert aber eine Menge Beispiele,
daß auch aus dem Schoße armer Familien Großes hervorgegangen
ist. So erlebte einer der unbemitteltsten Bewohner des Dorfes
Blasewitz bei Dresden die große Freude, einen Sohn zu besitzen,
der einen europäischen Ruf erhielt. Dieser glückliche Vater war der
arme Dorfmusikant Naumann, welcher nur ein Häuschen und ein
paar schmale, sandige Felder besaß. Diesem armen Manne ward
(den 17. April) 1741 ein Sohn geboren, welcher in der Taufe den
Namen Johann Gottlieb erhielt, und bei welchem schon frühzeitig
ganz außerordentliche Anlagen zur Musik hervortraten. Noch nicht
12 Jahre alt, spielte dieser Knabe beim Gottesdienste in der Kirche
zu Loschwitz die Orgel so vorzüglich, daß sein Vater, von Freude und
Rührung ergriffen, laut weinte, und daß die Leute dem jungen Organisten
beim Herabsteigen von der Orgelbank ihren Beifall zunickten.
Naumanns Vater kannte keinen innigeren Wunsch, als einst in
seinem Sohne einen tüchtigen Schullehrer zu erblicken. Anderer
Meinung war die Mutter. Nach ihrer Ansicht sollte ihr Sohn ein
Handwerk erlernen. Ihr Wille drang für jetzt durch, und der noch
nicht dreizehnjährige Knabe ward zu einem Schlosser in die Lehre
gebracht. Zu den ersten Verrichtungen des neuen Lehrlings gehörte
eine an sich ganz einfache Arbeit, er mußte nämlich Glas zum Löthen
stoßen. Sehr bald ward ihm aber der aufsteigende Staub so zuwider,
daß er seinen Lehrherrn um eine andere Arbeit bat. Dieser schlug
ihm aber seine Bitte rund ab. Nach kurzem Bedenken entlief der junge
Naumann seinem Lehrherrn, und es ging schnurstracks nach Hause.
Von jetzt an finden wir den Knaben mit der Peitsche in der
Hand auf dem Felde bei dem Vieh, das zu hüten er verurtheilt ward;
aber immer und immer wieder stieg in des Vaters Seele der Wunsch
auf, seinen Sohn einst als Schullehrer wirken zu sehen. Nur mit
Widerstreben stimmte endlich die Mutter bei. Zunächst sollte sich der
junge Naumann die nöthigen Vorkenntnisse auf der Kreuzschule zu
Dresden erwerben. Wohlgemuth wanderte er Tag für Tag, selbst
bei Wind und Wetter, jeden Morgen der Stadt zu, nahm in seiner
ländlichen Tracht mitten unter den städtisch gekleideten Kreuzschülern
Platz und studirte emsig. Seinen musikalischen Anlagen kam es sehr
zu statten, daß er einen ganz vorzüglichen Unterricht in der Musik