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Seinigen in den warmen Sommerabenden auf einer Bank oder
unter einem Baume vor seinem Hause, so erzählte er seinen auf jedes
Wort lauschenden Kindern von alten Zeiten. Hatte sich die Familie
in den Winterabenden hinter dem traulichen Ofen um der Lampe
mattem Schein zusammengefunden, so wurde die Zeit gewöhnlich
ebenfalls mit Erzählen oder mit Vorlesen ausgefüllt. Kündigten die
Schläge der Schwarzwälder Uhr die Stunde zum „Zubettgehen“ an,
dann wurde der Tag mit einem Abendsegen oder mit einem Abend—
liede beschlossen. Jetzt sucht man meistentheils in Wirthschaften
größere Gesellschaften auf, um sich beim Bier über Tagesneuigkeiten
und Politik zu unterhalten. Die Gemühhlichkeit, welche früher
hauptsächlich im Familienleben ihre Nahrung fand, verkümmert
immer mehr.
Der gesteigerte Besuch öffentlicher Vergnügungs= und Erholungs-
örter bewirkte ganz von selbst auch eine Steigerung der dar-
zureichenden Genüsse. Die leichten, einfachen Biere, an welchen sich
früher die Biergäste labten, wurden durch starke Doppelbiere, namentlich
durch bayerische verdrängt. Aus den meisten Wirthschaften, besonders
in den Städten verschwanden die „Bierkrüge"“ und die „Bierlasen“,
um den nur einen halben Liter großen „Biertöpfchen“ Platz zu
machen. Beim Bezahlen der Zeche änderten sich die Verhältnisse
ebenfalls, aber in entgegengesetzter Weise. Obgleich das neue schmucke
„Biertöpfchen“ dem alten einfachen „Bierkruge“ gegenüber nur halb
soviel Gerstensaft enthält, so muß doch die doppelte Höhe bezahlt
werden. Um wenigstens nicht zu viel sächsisches Geld für Bier nach
Bayern wandern zu lassen, gründeten Aktiengesellschaften im Inlande
eine neue große Brauerei nach der andern.
Andererseits bleibt es aber eine erfreuliche Thatsache, daß man
sich z. B. bei den Seite 472 flg. und 483 flg. beschriebenen er-
schütternden Unglücksfällen allerorts zur Darbringung von Gaben
der Barmherzigkeit bereit fand. Diese Erscheinung bleibt ein redender
Beweis für die Wahrheit der Behauptung, daß noch vieler Menschen
Herzen in liebevoller Theilnahme für das Leid ihrer Mitbrüder
schlagen.
b) Umgestaltung des Geschäfts- und Gewerbslebens, sowie der Handels-
verhältnisse. — Aktiengesellschaften. — Vereine. — Dampfkraft. —
Telegraphie. — Elbverkehr. — Vierzehn-Thalerfuß.
Eine ganz neue Gestalt erhielten in unserem Jahrhunderte das
Geschäfts= und Gewerbsleben und die Handelsverhältnisse.
Der Gedanke, sich der Wasserdämpfe als bewegender Kraft zu bedienen,
gehört zwar nicht erst unserem Jahrhunderte an; auch die wirkliche
Verwendung dieser Kraft zur Bewegung der Maschinen fällt in eine