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fähig, sich eine Verbesserung zu eigen zu machen, sie hält mit starrem
Sinn an dem Herkömmlichen, an dem Alten fest. Als diese be—
schränkten Ansichten einer besseren Erkenntniß weichen mußten, folgte
auch in der Landwirthschaft eine Verbesserung der andern. Hierzu
kam, daß der Landmann seit Ablösung der Frondienste die ganze Zeit
seinen wirthschaftlichen Angelegenheiten widmen konnte. Da in der
neueren Zeit dem Ackerbau manches Stück Ackerland durch die Eisen—
bahn entzogen worden und da ferner Sachsens Bevölkerung seit
50 Jahren um das Doppelte gestiegen ist, so wird die erzielte höhere
Ertragsfähigkeit des Bodens offenbar ein großer Segen.
Als ein mächtiger Hebel für den Fortschritt im Gewerbsleben,
im Feld= und Gartenbau 2c. sind offenbar die unserem Jahrhunderte
eigenen Gewerbs-, Thier= und Produkten-Ausstellungen zu betrachten.
Was sächsischer Gewerbfleiß geschaffen, hat selbst auf den Welt-
ausstellungen in London und Paris ehrende Anerkennung gefunden.
Eine erfreuliche Vervollkommnung ist in diesem Jahrhunderte
besonders auch dem Forstwesen gewidmet worden. Zwar vermindern
sich die Privatwaldungen mit jedem Jahre, indem viele Bauern den
Waldboden zu Ackerland umschaffen; allein die Staatswaldungen
werden gegenwärtig mit einer Sorgfalt gepflegt, wie es in dieser Weise
nie geschehen ist. Dessenungeachtet würde das Brennholz in einem
von vielen Menschen kaum zu erschwingenden Preis stehen, hätte man
nicht in der neueren Zeit dem Schoße der Erde immer neue, immer
größere Schätze an Stein= und Braunkohlen abgewonnen.
Unser Jahrhundert ist offenbar eine Zeit der Umgestaltung,
und in vieler Beziehung eine Zeit des Fortschritts. Dies zeigt sich
hauptsächlich auch in der Neugestaltung aller Staatsverhältnisse.
Seitdem Sachsen in die Reihe der konstitutionellen Staaten getreten,
hat sich die Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten, an der
Gesetzgebung, an der Landesverwaltung sichtbar gehoben. Es bildeten
sich Vereine, die sich die Aufgabe stellten, des Landes Wohl
fördern zu helfen, neue Einrichtungen vorzubereiten, ferner mit
dahin zu wirken, daß Altes und Unhaltbares beseitigt und Neues,
Lebensfähigeres an seine Stelle gesetzt werde. Nicht immer war die
Art und Weise die rechte, mit welcher man Staatsverbesserungen
ins Leben rufen wollte. Manche, die nicht einmal im Stande waren,
in ihrem kleinen Hauswesen Ordnung zu halten, fühlten sich berufen,
alle Maßregeln und Einrichtungen der Regierung zu meistern. Von
diesen galt auch Absaloms Wort: „Wer setzt mich zum Richter im
Lande, daß jedermann zu mir komme, der eine Sache im Gericht hat,
daß ich ihm zum Rechten hälfe!"
Der mit vollen Händen ausgestreute Samen des Mißtrauens
gegen jede Maßregel der Regierung rief 1849 eine Revolution
hervor, wie eine zweite die Geschichte unsers Vaterlandes nicht auf-