Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Schuß aus einer Feldschlange (d. h. aus einer Kanone) dem ganzen 
Kriege ein Ende machen, denn er würde gewiß den Herzog treffen.“ 
Der Kurfürst schwieg einige Zeit, warf einen durchdringenden Blick 
auf den Ritter und sprach endlich: „Harras und Ihr alle, vergesset 
es nicht, daß der Herzog mein Bruder ist!“ 
In gleicher Weise äußerte sich kurz darauf der Kurfürst gegen 
einen Büchsenmeister. Diesem gelang es, sich dem Kurfürsten zu 
nähern. „Darf ich nicht,“ fragte er seinen Herrn, „durch einen 
glücklichen Schuß einen der feindlichen Heerführer aus dem Wege 
räumen?“ Der Kurfürst schüttelte den Kopf und sagte: „Schieß, 
wen du willst, nur triff meinen Bruder nicht.“ Diese Aeußerung 
wurde dem Herzoge Wilhelm hinterbracht. Haß und Groll war ver— 
gessen. Im Angesicht der beiden Heere kamen die fürstlichen Brüder 
am 18. Oktober zusammen, fielen einander, wie einst Esau und Jakob, 
um den Hals, reichten einander die Bruderhand und gelobten sich 
gegenseitig Liebe bis an den Tod. 
Das war ein ergreifender Augenblick für beide Heere. Was 
die Brüder einander in diesem weihevollen Augenblicke unter Gottes 
freiem Himmel gelobten, haben sie auch bis an ihr Ende getreulich 
gehalten. Zunächst ward ein Waffenstillstand geschlossen und drei 
Monate später kam der Friede zu Pforta (den 27. Januar 1451) 
zu Stande. So hatte ein Krieg ausgetobt, der unsägliches Elend 
über unser Vaterland gebracht und seinen Wohlstand wieder auf 
lange Zeit zerstört hatte. 
24. Der Prinzenraub (1455). 
a) Die nächste Arsache dieses Raubes und Vorbereitungen zu demselben. 
Die blutigen Waffen, die im Bruderkriege so viel Unheil an- 
gerichtet hatten, ruhten nun wieder, aber die traurigen Folgen, welche 
aus diesem Kriege für das Land und seine Bewohner hervorgingen, 
wirkten noch lange fort. Eine Folge dieses Krieges war auch das- 
jenige Ereigniß, welches unter dem Namen des Prinzenraubes 
bekannt ist. In diesem Kriege hatte sich, wie wir aus dem Vorher- 
gehenden ersehen haben, der Ritter Kunz von Kaufungen durch seine 
Tapferkeit im Heere des Kurfürsten rühmlichst ausgezeichnet. Eigentlich 
hieß dieser Ritter Konrad von Kaufungen, er wird aber in der 
Geschichte allgemein Kunz genannt. Wann er geboren wurde, weiß 
man nicht genau. Er stammte aus dem Dorfe Kaufungen bei Penig 
und trat in den Dienst des Kurfürsten Friedrich des Sanftmüthigen. 
Später wurde er kurfürstlicher Schloßhauptmann in Altenburg. 
Wie schon oben erwähnt, kam es in dem Bruderkriege zwischen 
den feindlichen Heeren fast gar nicht zu eigentlichen Schlachten, sondern
	        
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