Der Wendenkreuzzug. 97
befindlichen Slawen zu decken*). — Aber trotz aller dieser großen Vorberei-
tungen war kein rechter Ernst in dem ganzen Unternehmen. Die Soldaten
hielten nicht die geringste Manneszucht, zerstreuten sich über das Land, plün-
derten und raubten und dachten wenig an die wichtigen Zwecke des Zuges“).
Natürlich erlitt man bei so unordentlicher Kriegsführung unaufhörliche Ver-
luste durch die gewandte leichte Reiterei der Slawen. Als einst die ein-
geschlossenen Dobbiner bemerkten, wie sorglos und ungerüstet die gegenüber-
stehenden Dänen seien“*), unternahmen sie einen kräftigen Ausfall, zer-
streuten die Gegner vollständig, töteten eine Menge Krieger und nahmen
ihnen viele Gefangene ab. Die Deutschen befanden sich an dem, dem Schlacht-
felde entgegengesetzten Ende des Sees und konnten den Dänen nicht schnell
genug zu Hilfe kommenf). Zwar ließen sich die Dänen nicht entmutigen und
betrieben die Belagerung nur um so energischer; aber plötzlich wurde ihre nur
mit schwacher Besatzung unter dem Bischof Asker von Roeskilde zurück-
gelassene Flotte von den Ranen angegriffen und großenteils genommen.
Nun warbei den Dänen, denen ja die Heimkehr ganz abgeschnitten zu werden
drohte, kein Halten mehr. Eiligst gingen sie an die Küste zurlck, befreiten
dort ihre Schiffe und fuhren unverweilt nach Hauseff).
Mußte schon durch solche Vorfälle die Lust am Kreuzzuge bedeutend ab-
geschwächt werden, so kamen bei den mächtigsten Fürsten Sachsens noch
andere Beweggründe hinzu, um sie allmählich dem ganzen Kriege abgeneigt
zu machen. Sie hatten bisher immer ihre Herrschaft auf Kosten der Slawen
langsam ausgedehnt, ohne jedoch dabei den Unterworfenen zu vielen Schaden
anzutun. Einmal wußten sie recht gut, daß ein grausames Verfahren gegen
die Slawen diese stets von neuem zu Unruhe und Aufstand reizen würde;
und dann war ihnen bedeutend mehr daran gelegen, die fruchtbaren Ebenen
des Obotriten= und des Pommernlandes in gutem Zustande, dicht besetzt
mit fleißigen Bebauern, zu gewinnen, denn verwüstet und verödet, als un-
nützes Besitztum. Selbst von den noch freien Slawen hatten sie bisweilen
Unterstützung gegen ihre Feinde, oft Geschenke und Tribute erhalten. So
betrachteten sie die slawische Bevölkerung als eine reiche Einnahmequelle
und empfanden nicht die mindeste Lust, der Aufforderung der Kirche zu
folgen, die Bekehrung oder Ausrottung der Heiden verlangte. Der ganze
Kreuzzug wurde vielmehr den Fürsten immer verhaßter. Während die
% Helm. I, 65. — Saxo Grammaticus (ed. Stephanü, Copenhagen 1644), p. 254
(= M. G. Ss. # 87).
½) Theod. Mon. Palid., p. 82.
*½%) Krit. Erört. II m.
)Saxo Grammat. 1. o. — Helm. l. c. — Das Auctarium Gemblacense (M. G.
VI, p. 392) wirft einen häßlichen Verdacht auf die Deutschen: Et oum iam ad
arma ab utraque parte ventum fuisset, Teutonici accepta pecunia (I] vendiderunt
Dacos; cooptoque proelio, se subtrahentes multa milia Dacorum Slavorum occi-
derunt gladü.
) Saxo Grammat., p. 254, 255. — Eine böllig falsche, unmotivierte Darstellung
Libt die Knytlinga Saga (Scripta historica Islandorum XI. P. 120).
Pbilippson, Heinrich der Löwe. 7