98 Zweites Buch. II: Heinrich und König Konrad.
Kreuzfahrer die festen Schutzburgen der Slawen nicht zu brechen vermochten,
verheerten sie das schöne Land von der Trave bis zur Oder. Und sollten etwa
die von den nordsächsischen Fürsten mit Eifersucht betrachteten Dänen oder
die herrschsüchtigen Geistlichen in Mecklenburg sich festsetzen? Auch solche
Aussicht mußte Männern, wie Herzog Heinrich oder Albrecht der Bär, höchst
unangenehm sein. So trat bald eine allgemeine Erschlaffung des ganzen
Krieges ein. Schon redeten die Herzoglichen und die Brandenburger laut
untereinander: „Ist nicht das Land, das wir verwüsten, unser Land? Nicht
das Volk, das wir bekämpfen, unser Volk? Weshalb sind wir dann also
unsere eigenen Feinde und die Zerstörer unserer eigenen Einkünfte? Bringt
nicht dieses ganze Unternehmen unseren Herren den größten Schaden")?“
Die Belagerungen von Demmin und Dobbin wurden durch viele Waffen-
stillstände unterbrochen. Wurden die Slawen einmal besiegt, so hielt man
die Truppen von der Verfolgung zurück. Zuletzt wurden alle des unnützen
und unerquicklichen Kampfes müde, und man war froh, als ein Friede ge-
schlossen wurde, der wenigstens den Schein einigermaßen wahrte"*). Die
Slawen sollten das Christentum annehmen und die Gesangenen, meistens
Dänen, wieder herausgeben, auch mit ihren gewöhnlichen Plünderungen
in Dänemark aufhören. Aber daß diese Friedensbedingungen wirklich würden
gehalten werden, daran dachten wohl beide Teile keinen Augenblick. Zwar
ließen sich die Slawen in großer Anzahl taufen und gaben alle Greise und
Schwächlinge unter den Gefangenen zurück: die starken dagegen behielten
sie, und kaum waren die Christen wieder aus dem Lande, als auch alle Obo-
triten zur Anbetung ihrer heimischen Götter zurückkehrten?“).
Natürlich konnte unter solchen Umständen die Belagerung Stettins keinen
Fortgang nehmen; nach großen Verlusten mußten Bischof Heinrich von
Mähren und Fürst Ratibor ihren gefährlichen vorgeschobenen Posten auf-
geben und sich, so gut es ging, mit den Heiden abfindenf#).
So war die unter vielen Hoffnungen, mit großen Kräften begonnene
Unternehmung gänzlich und auf das kläglichste gescheitert. Der gewaltige
Sturm, der die Slawenmacht in den Ländern südlich von der Ostsee voll-
ständig zu entwurzeln drohte, war, ohne vielen Schaden bewirkt zu haben,
vorübergebraust. Während die Slawen höchstens die Verwüstung ihrer Felder
beklagten, hatten die Kreuzfahrer Tausende von Kriegern durch Tod und
Gefangenschaft verloren. Die Schemntaufe einiger tausend Slawen war eher
ein Hohn auf den ursprünglichen Zweck des Zuges als dessen Erreichung.
Aber wie hätte es auch anders kommen sollen? Stellte es sich doch im Ver-
) Helm. I, 65: Nonne terra, qguam devastamus, terra nostra est? Et populus,
nuem expugnamus, populus noster est? Quare ergo invenimur hostes nostrimet, et.
kaeipetores vectigalium nostrorum?" Nonne iactura haec redundat in dominde
nostros
##% Krit. Erört. II n.
5% ) Helm. I, 65.
+) Vincent. Prag., p. 663.