Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

Die flawischen Bistümer. 139 
geistlichen Oberhirten; bedürfe sie aber weltlicher Hilfe, so würde der König, 
der auch das Investiturrecht besitzen müsse, ihr hinlänglich Schutz und Schirm 
sein. 
Dagegen führte Heinrich mit Recht an, daß die slawischen Länder, wie sie 
nur durch das Schwert gewonnen seien, auch nur durch das Schwert unter 
christlicher Botmäßigkeit gehalten werden könnten. Erst eine kleine Zahl der 
Slawen habe sich zum Christentume bekehrt; und wenn eine zwiespaltige Ge- 
walt in den betreffenden Gebieten herrschen sollte, so würden sie wahrschein- 
lich ganz wieder verloren gehen. Auch sei es billig, daß in den von ihm mit 
Aufopferung von Gut und Blut gewonnenen und noch zu gewinnenden Pro- 
vinzen erselbst die Rechte erhalte und ausübe, die den Laien stets auf die Aus- 
stattung und Besetzung der kirchlichen Würden zugestanden hatten“"). 
Am meisten litt unter diesen Streitigkeiten Vizelin, der besonders von dem 
beleidigten Hartwich viele Kränkungen erfahren und hinnehmen mußte. Über- 
haupt waren die letzten Lebensschicksale des wackeren Mannes recht traurig. 
As er niedergeschlagen von dem Merseburger Reichstage zurückkehrte, fand 
er zu Hause nur neue Trauer. Sein treuer Freund, Schüler und Gehilfe 
Dittmar war gestorben. Tief bekümmert zog sich der Greis nach Bosau zurück 
und vollendete daselbst Haus und Kirche. Als er von dort nach Neumünster 
übergesiedelt war, befiel ihn schwere Krankheit und Lähmung aller Glieder. Juni 
Auch die Zunge war an jeder Bewegung verhindert. Und so lebte der unglück- 
liche Greis noch 30 schwere Monate'*). Wenn irgendwo treues und mutiges 
Streben Widerwärtigkeiten und Unglücksfälle geerntet, so war es bei Vizelin 
der Fall! 
Aber Hemrich der Löwe ließ sich unterdes auf keinerlei Weise von seinen 
Plänen auf die vollständige Beherrschung der slawischen Ostseeländer ab- 
bringen. War ihm doch bisher fast alles geglückt, warum nicht auch ferner? 
Die stetigen Erfolge erweckten jetzt in ihm auch jenen Eigensmn, jene rastlose 
Herrschsucht, jene Mißachtung der Rechte anderer, die ihn später im ganzen 
Reiche verhaßt machten. Ursprünglich waren Wagrien und Polabien ohne 
Zweifel ganz freie, von niemandem abhängige Länderz; indes hatten sich die 
Grafen in den Schutz und die Oberhoheit des starken Löwen begeben““.). 
Jedenfalls war ein solches Verhältnis mehr ein auf Gegenseitigkeit begrün- 
detes, als das der strengen Unterordnung. Dennoch gab jetzt Heinrich der 
Löwe seinen oberherrlichen Rechten in Wagrien die größte Ausdehnung und 
machte von ihnen die strengste Anwendung, wie letztere nur irgendwo im einem 
alten Lehen des sächsischen Herzogtums hätte stattfinden können. 
Durch den langjährigen Frieden und das Handelsbündnis mit den Slawen 
hatte sich Lübeck schon zu außerordentlicher Volksmenge und zu großem Reich- 
tume entwickelt. Nicht minder hatten sich die von Adolf II. angelegten Salz- 
*) Helm. I. 75. 
qHeim. a. a. O. — Versus de Vicel, p. 778. 
*)Beol. S. 108. 
 
	        
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