Welf IV. und der Investiturstreit. 11
dem Kaiser und dem Herzoge gelobte Welf noch einmal seinem Schwieger-
vater Treue; als aber letzterem von dem Fürstengerichte das Herzogtum ab-
erkannt war und seine Sache sich in der größten Gefahr befand, besann sich
Welf IV. nicht lange, seine dreifachen Verpflichtungen gegen Otto zu brechen.
Zuerst schlug er dem Schwiegervater die erbetene Hilfe ab, dann suchte er
sogar dessen Sturz zu benutzen, um selbst dadurch zu ungeahnter Macht zu
steigen. Er verstieß deshalb ohne den geringsten Vorwand seine Gemahlin, Weihn.
des Herzogs Tochter; dann söhnte er sich auf dem Reichstage zu Goslar unter 1070
Vermittelung des Herzogs Rudolf von Schwaben mit dem Kaiser aus und
wußte durch diesen Anschein bußfertiger Umkehr und besonders durch maß-
lose Bestechung der Räte des jungen Königs es dahin zu bringen, daß ihn 1071
dieser mit dem Herzogtume Bayern belehnte").
So hatte der schändliche Mann sein Ziel erreicht und durch Verrat eine
eben so große, ja noch wichtigere Macht und Würde erlangt, als sein Oheim
müttterlicher Seite sie besessen. Heinrich wiederum mochte glauben, den Re-
negaten unwiderruflich an sich gefesselt, bei dessen eigener Partei unmöglich
gemacht und dadurch das mächtige Herzogtum für immer in seinen Dienst
gebracht zu haben. Aber der in Sünde erlangte und verliehene Besitz war
weder für den Gewinner noch für den Verleiher ein Segen, sondern die Quelle
steten Zwistes.
Einige Zeit lang blieb Welf dem Kaiser noch treu und vermählte sich unter
dessen Zustimmung mit der Tochter des Grafen Tosti von Northumberland,
Judith. Bald darauf aber, als der Kaiser allzu selbständig wurde und offen
die Bestrebungen seines ruhmreichen Vaters fortzusetzen begann, lehnten sich
die Herzoge Rudolf von Schwaben, Berthold von Kärnten und Welf von 1073
Bayern gegen ihn auf. Noch einmal gelang es dem Kaiser, die Widerspensti-
gen zu versöhnen, so daß auch Welf IV. jenem starke Hilfe gegen die wieder 1074
aufständischen Sachsen leistete; besonders durch den nachdrücklichen Angriff
seiner Bayern wurden die Empörer bei Nagelstädt in Thüringen vollständig 1075
geschlagen“).
Es ist bekannt, mit welcher Härte Heinrich nach gewonnenem Siege gegen
die Sachsen verfuhr, wie Gregor VII. für sie einschritt, wie sich die drei Her-
zoge von Schwaben, Kärnten und Bayern und mehrere andere geistliche
) Lambertus Hersfeldensis (Monum. Germ. Ss. V., p. 179) und Annalista Saxo
(Se. VI) ad an. 1071. — Adamus Bremensis III, 59 (Ss. VII, p. 359).
*) Welchen Wert man auf mittelalterliche Stammbäume legen kann, ersieht man
aus salgenden Versen eines anonymen, poetischen Beschreibers der Sachsenkriege
(ap. Coldast, t Aolsis Henrici IV.):
Hoc Romancorum sequitur de gente vetusta
Dux Catulus (Welf) nomen referens moresque genusdue.
Signa ducis *8 uitur gens inclita Baiariorum.
Quam totiens domitis celebrat victoria Parthis, etc.
(Pertz hat ## Gedicht fälschlich für unecht gehalten; Wait, Nachrichten von der
Göttinger unipersität, 1857, p. 13—38). — Ahnlich Thimonis Passio metrice scripta
(N. G. Ss. XI) vers. 106.