IV Vorwort.
Auflage völlig erschöpft ist und ein pietätvoll denkender Verlag an eine
neue Ausgabe denken konnte.
Ich habe lange gezögert, ehe ich dem freundlich an mich gestellten Ver-
langen entsprach. Ich verhehlte mir nicht, daß die große Bereicherung des
historischen Materials, die Menge der inzwischen getanen Forscher= und Kri-
tikerarbeit, die Anderung in den Anschauungen und wissenschaftlichen An-
sprüchen eine volllommene Umarbeitung des Buches nötig machten — um
so mehr als auch der Verfasser während jenes langen Zeitraumes ein anderer
geworden war. Meine eigene Tätigkeit als Lehrer und Schriftsteller hatte
vorzugsweise der Neuzeit gegolten, und so mußte ich mich in das mittelalter-
liche Jahrhundert erst wieder hineinfinden. Trotz aller dieser schwerwiegen-
den Gegengründe glaubte ich schließlich der ehrenvollen Aufforderung des
Verlagshauses mich nicht entziehen zu sollen, die doch im Grunde einer Ver-
trauenskundgebung des wissenschaftlich strebenden Publikums entsprungen
war. Es ist ein großer Reiz für den Greis, mit demselben Werke seine Lauf-
bahn abzuschließen, mit dem er es einst begonnen hatte, und dieser Reiz war
ein unwiderstehlicher.
So möge die Geschichte Heinrichs des Löwen noch einmal in die Welt
gehen. Man wird hoffentlich finden, daß ich mich redlich bemüht habe, sie
dem Stande und den heutigen Erfordernissen der Wissenschaft anzupassen.
Den eigentlichen Plan glaubte ich nicht verändern zu dürfen: jener Welfen-
herzog läßt sich nur verstehen inmitten der großen geschichtlichen Vorgänge
seiner Gegenwart, die also gebieterisch ihre Darstellung verlangten, besonders
bis zu dem Augenblicke, wo er durch den Bruch mit Friedrich I. freiwillig aus
der allgemeinen politischen Bewegung jener Zeit ausschied. Von da an sind
diese Ereignisse nur kurz berührt.
Manche Einzelansichten habe ich nach den Ergebnissen einer halbhundert-
jährigen Forschung aufgegeben und abgcändert. Im ganzen aber mußte ich,
trotz ernstlicher Prüfung, an meinen Anschauungen über die Verhältnisse und
Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts in Deutschland festhalten. Darf ich
hinzufügen, daß diese Erfahrung mich einigermaßen für diese zweite Auflage
ermutigt hat? Möge cs nicht ohne Grund gewesen sein!
Berlin, Februar 1914.
M. Philippsfson.