580 Kritische Erörterungen zum zweiten Buche.
nicht länger dauern würde, als die 1½ Monate, die (von Mitte Juli bis Anfang
September) bis zu dem großen und wichtigen Reichstage zu Regensburg übrig waren.
Dieses sog. Privilegium minus M. G. Legum Sectio IV, Constit., I, 220—223.
Das sog. Privilegium Maius (M. G. Leg., II, 99 ff.), mit noch viel ausgedehnteren
Unrechten, ist längst als Fälschung erkannt; es ist mehr als zwei Jahrhunderte nach
einer angeblichen Ausstellung zur Zeit des Herzogs Rudolf IV. (1358—1365) ver-
ertigt worden, wie schon Watten bach im Archiv f. österr. Gesch. (Bd. VIII,
34 ff.) nachgewiesen hat. Freilich hat dem Chmel widersprochen (besonders Siz.-
Ber. d. Wien. Akad., Phil.-hist. Kl., Bd. XXVIII), der die Existenz des Mains schon in
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts dartun wollte. Ahnlich A. Jäger lebendas.
XX, 3 ff.). Die Echtheit des Minus und seine Bestätigung im Jahre 1215 machte
. Ficker (ebendas. XXIII (1857] 487 ff.) llar. Enifchehend für das Maius sind
dann die Ausführungen Alf. Hubers (ebendas. XXXIV (1860j, S. 17 ff.:
Im Maius wird das Land ob der Enns Osterreich zugesprochen; die Enns war aber
bis 1254 die Westgrenze Osterreichs, also kann das Maius erst später verfertigt sein.
Ebenso dessen Bestimmungen gegen die Teilbarkeit des Herzogtums, da die Teilbar-
keit eines Reichsfürstentums bis 1255 überhaupt unerhört war. Ferner weist darauf
hin die Erwähnung der Kurfürsten, die vor 1256 nicht vorkommen. Das Naius
widerspricht auch dem erst 1355 erteilten Hausgesetze Albrechts II., es setzt die Goldene
Bulle voraus. Es gibt davon keine ältere Abschrift vor dem 14. Jahrhundert. Ander-
seits waren die falschen Privilegien nachweisbar am 11. Juli 1366, wahrscheinlich
sogar, nach Erwähnung in anderen Urkunden, bereits im Juni 1359 vorhanden.
Sie sind also wahrscheinlich im Frühjahr 1359, sicher 1358—1359 entstanden.
Rudolf IV. war überhaupt ein nach äußerem Glanze strebender Fürst, der zuerst
sich den Titel „Erzherzog“ oder „Pfalzerzherzog“ beilegte.
Wilh. Erben (Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Osterreich,
Wien 1902) ist noch weiter gegangen, indem er zwar der Hauptsache nach die Echt-
heit des Minus anerkannte, aber aus formalen und sachlichen Gründen die Befreiung
der Herzöge von außerbayerischen Hoftagen sowie von Heerfahrten in entlegene
Provinzen als Interpolationen verdächtigte. Erben stützt sich besonders auf den
Umstand, daß im letzten Jahrzehnt des 12. und den drei ersten des 13. Säculums
die österreichischen Herzöge sich in regster Weise an den außerbayerischen Hoftagen
und weiteren Heerfahrten, überhaupt an der ganzen Reichspolitik beteiligten. Anders
sei es erst seit Ende 1231 geworden, wo Herzog Friedrich der Streitbare unter dem
Einflusse seiner Ministerialen eine spezifisch österreichische Politik verfolgt. Er habe
dann jene beiden Befreiungen interpoliert.
TangleZeitschrift der Havigny= Stift f. Rechtsgesch., German. Abtlg.XXV, 258ff.)
und Simonsfeld (zuletzt Friedrich I., I, 468 ff., 709 ff.) haben mit Recht die Schluß-
folgerungen Erbens abgelehnt. Die formalen Einwendungen des letzteren sind rein sub-
jektiv und nicht konkludent. Tatsächlich aber hat das Minus den österreichischen Her-
zögen durchaus nicht die Teilnahme an der Reichsverwaltung und den Reichskriegen
außerhalb Bayerns und seiner Nachbarschaft verboten, sondern solche ihnen nur
nicht zur Pflicht gemacht. Wir dürfen also Erbens Bedenken als widerlegt betrachten.
Eine lebhafte Diskussion hat sich dann über die comitatus quos tres dicunt ad
marchiam Orientalem ex antiquo Fertinentes erhoben, die nach Otto von Freisingen
(G. Frid. II, 55) mit der Ostmark an Heinrich Jasomirgott überlassen wurden. —
Nach Riezler (in Heigel und Riezler, Das Herzogtum Bayern zur Zeit
Heinrichs des Löwen und Ottos I. von Wittelsbach, München 1867, S. 217 ff.)
bestünden sie im größten Teile des Landes ob der Enns, der damit schon 1156 zu Oster-
reich gekommen wäre; die Gründe, die er anführt, sind freilich recht gekünstelt. Diese
drei Grafschaften — Schauenburg, Wels-Lambach und Peugen-Rebgau — werden
von Riezler auch in der Geschichte Bayerns, Bd. I (Gotha 1878), S. 663 als
damals an OÖsterreich überlassen, aufgeführt. Alfr. Huber dagegen, a. a. O., bezeichnet
die Enns als Telhgerne Osterreichs bis zum Jahre 1254. Andere haben die comitatus
nur als österreichische „Grafschaftsrechte“ erklärt. Eine ausschlaggebende Erklärung
läßt sich also bei der Unbestimmtheit von Ottos Ausdruck nicht geben. Doch ist es
wahrscheinlich, daß das Herzogtum Osterreich des Jahres 1156 lediglich das jetzige
Niederösterreich umfaßt hat. Vgl. Struadt, Die Gebiete des Landes ob der
Enns (Wien 1880); Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I, 185.