602 Kritische Erörterungen zum dritten Buche.
Man findet in der Tat in beiden Berichten starke Verschiedenheiten. Einige
von diesen Schwierigkeiten heben sich nun, wenn man bedenkt, daß der Brief des
Freundes des Papstes in den ersten Tagen der Kurie geschrieben
(er weiß noch nichts von der Ordination der erwählten Bischöfe am 29. Mai und
darüber, ob die Bischöfe von Verdun und Freising wirklich am 29. Juni den Eid
geschworen habenl, das Rundschreiben des Kaisers aber vom 1. Juli datiert ist.
Um jedoch die noch übrigbleibenden Differenzen beider Berichte entscheiden zu
zio müssen wir erst die anderen bedeutenderen Quellen über diesen Reichstag
ören.
3. Die Annales Reicherspergensis, abgeschlossen 1167, bringen S. 471 f. folgende
Angaben: In den Pfingsttagen (Pfingsten siel damals auf den 23. Mai) hielt der
Kaiser einen Reichstag zu Würzburg, wo 40 Bischöfe und Erwählte aus Deutschland
mit dem Kaiser und allen anwesenden Fürsten (omnibus principibus, qui
presentes aderant) dem Paschal und seinem Nachfolger Treue schworen. Später
schworen noch viele Bischöfe und Fürsten, die nicht dort gewesen waren. Der Eid
lautete dahin, daß nur Anhänger Paschals zum Papst oder Kaiser gewählt werden,
daß die Bischöfe diesen Schwur von allen untergebenen Klerikern verlangen und die
Eidweigerer alle Güter verlieren sollten. Auf Hefetl- des Kaisers wurden dort auch
mehrere nicht ordinierte Geistliche nach Ablegung desselben Eides geweiht. Der
erwählte Erzbischof von Mainz aber floh, um den Eid nicht zu leisten, nach Frank-
reich zu Alexander. Am 30. Juli kam der Kaiser nach Passau, und der dortige Bischof
ließ deshalb alle seine Kleriker vorgeschriebenerweise schwören. Darauf ging der
Kaiser auch nach Wien, und Herzog Heinrich von Osterreich, sowie der erwählte
Bischof Eberhard von Regensburg und mehrere andere Fürsten leisteten hier noch
Würzburger Eid. — Es ist gewiß, daß die Annalen bei ihrer Erzählung die kaiserliche
Enzyklika zugrunde gelegt haben. Aber sicherlich hätte dies der stets antistaufische
Verfasser nicht getan, wenn ihm nicht die Richtigkeit der kaiserlichen Angaben als un-
bestreitbar erschienen wäre. Seine UÜberzeugung von der allgemeinen Wahrhaftig-
keit der Enzyklika fällt aber umso schwerer ins Gewicht, als der Verfasser sich doch
auch in mehreren Angaben unabhängig von der Enzyklika zeigt; so z. B. in der Er-
wähnung, daß mehrere Bischöfe und Fürsten später geschworen hätten, in dem
Bericht über Konrad von Mainz und die Vorgänge in Passau und Wien.
4. Die Chron. S. Petri Erfordiensis, p. 183 bestätigt den Ungehorsam Konrads
von Mainz.
5. Die Annales Ratisponenses, deren betreffender Teil gleichfalls 1167 abge-
schlossen ist, melden p. 588: Der Kaiser zwang zu Würzburg eine Menge nichtsahnen-
der Bischöfe, seinem Papste zu schwören, nur Konrad von Salzburg widersprach;
den erklärte er für einen Reichsfeind. — Diese Annalen sind überhaupt in den Einzel-
heiten nicht sehr zuverlässig. Indessen scheint das Faktum, daß viele Bischöfe zum
Eide gezwungen seien, doch richtig zu sein, da es — außer durch Quelle 2 —
auch noch durch die Quellen 6, 7 und 14 bestätigt wird. Falsch dagegen ist ohne
weifel die Angabe, sogleich auf dem Reichstage habe Konrad von Salzburg dem
aiser widersprochen, und habe dieser ihn zum Reichsfeind erklärt. Es ist dies eine
Antizipation späterer Ereignisse. Der Erzbischof von Salzburg wohnte dem Reichs-
tage gar nicht bei (Quelle 2).
6. Die Annales Laubienses, die in dem betreffenden Teile dem 13. Jahrhundert
angehören, melden p. 24: Zu Würzburg um Pfingsten schworen die Fürsten des
ganzen Reiches, Bischöfe und Abte, nur dem Paschal und dessen Parteigenossen an-
zuhängen. Einige sträubten sich sehr, noch andere schworen mehr aus Furcht vor
dem Kaiser, als aus Liebe zu ihm. Man sieht, daß diese Annalen keineswegs dem
Kaiser freundlich gesinnt sind, wie schon die letzten Worte deutlich verraten, und doch
bestätigt auch dieser Bericht die Angabe der Quellen 1, 3, 7 und 12, daß fast ialle
deutschen Fürsten — wenn auch nicht auf dem Reichstage selbst, so doch nach ihm —
dem Paschal schworen. Es ist, glaube ich, diese Tatsache vollständig erwiesen.
7. Einen noch entschiedener klerikalen Standpunkt nimmt die am Ende des
12. Jahrhunderts geschriebene Vita Gebehardi M. G. Ss. XI, p. 46 ein. Und auch
diese erzählt, fast alle deutschen Fürsten seien zugegen gewesen,
Bischöfe und Abte Deutschlands hätten Paschal geschworen und nur wenige der Be-
fleckung sich entziehen können. — Gewiß ein unverdächtiges Zeugnis!