Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

II. Buch, V. Kapitel. 605 
Der erste größere Unterschied nun, den Quelle 2 gegen 1 aufweist, ist die Schilde-5 
rung der dem definitiven Beschlusse des Kaisers voraufgehenden Verhandlungen am 
22. und 24. Mai. Hier scheint der Brief vollkommen Glaubwürdiges zu enthalten. 
Das Eingeständnis Reinalds, die Gegenpartei sei in Deutschland stärker, als die 
Freunde Paschals, mag übertrieben ausgedrückt sein; aber ähnliches wird der Erz- 
kanzler doch gesagt haben, da ja der Kaiser selbst in seiner Enzyklika das Vorhanden- 
sein einer starken Gegenpartei in Deutschland vor dem Reichstag zugibt. Ebenso 
kann Reinald sehr gut angeführt haben, der König von England habe Paschal die 
Unterstützung von fünfzig Bischöfen versprochen; es wird dies durch den Brief des 
Erzbischofs Kotrod von Rouen an Kardinal Heinrich (Bouquet, Rec. XVI, p. 238) 
indirekt bestätigt. Auch das ist wahr, daß Erzbischof Reinald dem Kaiser erst den 
Eid vorgeschlagen hat (Quelle 14); es mag dies freilich auf vorhergehender Verab- 
redung beruht haben. — Die Fassung des Eides selbst findet sich natürlich in der 
Enzyklika vollständiger und richtiger als in dem Briefe. — Entschieden falsch und 
tendenziös aber ist in diesem die Angabe, der Kaiser habe allen, die nicht Edle, Kleriker 
oder Ritter seien und sich des Eides weigerten, grausame Verstümmelung angedroht. 
Davon findet sich in der amtlichen Strafandrohöng in der Enzyklika nichts. — Höchst 
wichtig ist die Frage, ob Reinald sich wirklich geweigert habe, von Paschal die Weihe 
zu nehmen. Vielleicht ist dies nur eine falsche Beschuldigung vonseiten des unbe- 
kannten Freundes Alexanders III., dessen Anhänger ja ungemein gegen den praed 
uus fautor schiesmatis erbittert waren. Aber bedenken wir wieder, daß Reinald 
chon als neugewählter Erzbischof das Pallium von dem soeben in Pavia bestätigten 
Viktor IV. nicht hatte annehmen wollen (oben S. 241), so kann uns ein solches Auf- 
treten hier auch nicht wunder nehmen. Sehen wir nun, welchen Eindruck der doch 
im ganzen wahrhafte Briefsteller auf diesen Zwischenfall legt, so ist zwar nicht des 
letzteren Wirklichkeit, wohl aber Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Darauf muß auch 
— wie der Briessteller nun fortfährt — eine zornige Anrede des Kaisers an den listigen 
Erzbischof, der sich gern ein Hinterpförtchen offen gehalten, gefolgt sein; aber daß 
sie nicht in der angeführten Weise stattgefunden hat, ist sicher. Einmal war der Kaiser 
zu klug, den Zwiespalt in seiner Partei so zu verschärfen. Zweitens hielt er zu viel 
auf seine Würde, um vor den Augen der Fürsten in so grobe Schmähungen auszu- 
brechen. Drittens aber sehen wir, daß der Kaiser dem Ungetreuen nach wie vor sein 
Vertrauen schenkt. — Ist hier noch ein bestimmtes zugrunde liegendes Ereignis fest- 
zuhalten, so ist doch das im Briefe folgende gänzlich entstellt. Allerdings ist es wahr, 
daß verschiedene Bischöfe sich lange sträubten und weigerten, den geforderten Eid 
zu leisten, aber so, wie der Anonymus den Hergang schildert, kann es unmöglich ge- 
wesen sein. Der innere Widerspruch liegt deutlich zutage. Erst wollen die Bischöfe 
lieber die Regalien aufgeben als schwören; als dies ihnen nicht gestattet wird, schwören 
sie, aber unter der Bedingung, daß ihr Eid nichtig sein soll, wenn sie die Regalien auf- 
gäben. Wenn dies sich so verhielte, hätten doch die Bischöfe nur ihren früheren Vor- 
satz auszuführen und die Regalien aufzugeben gebraucht, so wären sie des Eides 
ledig gewesen. Daß sie dies nicht taten, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß sie jene 
Bedingung gar nicht erhalten hatten. Auf der anderen Seite konnte der Kaiser un- 
möglich in eine Klausel willigen, die den widerstrebenden Bischöfen gerade das ge- 
stattete, was er ihnen soeben abgeschlagen hatte. Wahrscheinlich läßt sich diese Angabe 
durch das modifizieren, was Quelle 8 vom Eide des Adalbert von Freising meldet, 
er habe geschworen obedire Paschali pro conscientia, guandiu imperium partem 
eius foveret et quandiu regalia habere vellet. Hierbei ist das letztere offenbar mehr 
drohender Zusatz: der Bischof muß beschwören, er erachte seine Lehen als durch 
Abfall von Paschal eo ipso verwirkt. Der Hauptnachdruck aber liegt auf dem Satze: 
er wolle Paschal solange gewissenhaft gehorchen, wie das Reich diesem günstig sei. — 
Eine bedeutende Differenz zwischen beiden Quellen herrscht darüber, wie viele geist- 
liche und weltliche Fürsten den Würzburger Eid geleistet haben. Die Enzyklika sagt, 
der Herzog von Sachsen, die Mark--, Hlat und Landgrafen von Brandenburg, bei 
Rhein und von Thüringen und alle übrigen Fürsten hätten den Eid geleistet, sowie 
sämtliche vierzig anwesenden Bischöfe. Der Brief behauptet, nur wenige — auf- 
gezählte — Bischöse und jene in der Enzyklika benannten vier Fürsten — der quidam 
sororius imperatoris soll wahrscheinlich der Landgraf von Thüringen sein, der dem 
Kaiser, freilich in etwas anderer Weise, sehr nahe verwandt war — hätten nach des
	        
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