Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

IV. Buch, II. Kapitel. 623 
beliebte dilettantische System, bei — wirklichen oder anscheinenden — Wider- 
sprüchen in den Quellen alle als wahrhaftig miteinander versöhnen zu wollen. 
Ahnlich hat Fritz Lucas (Die angebliche Zusammenkunft in Partenkirchen 
und der Sturz Heinrichs des Löwen, Berlin, Diss. 1904) ein dreifaches Verfahren kon- 
strniert: ein lehnrechtliches und gar zwei landrechtliche. Hier wird die Verwirrung 
noch größer. 
In keiner einzigen Quelle ist von einem mehrfachen Verfahren die Rede. Diese 
Tatsache allein widerlegt die Voraussetzungen nicht allein Kleins und Lucas', sondern 
auch Schäfers und Güterbocks. In Wirklichkeit wurden, wie Waitz an der Hand der 
Gelnhauser Urkunde hervorhebt, beide Verfahren, das land= und lehnrechtliche, 
nicht scharf geschieden. 
Niese (Zeitschr. f. Rechtsg., Germ. Abt., XXXIVI (1913)j, 251) scheidet zwar 
ein land= und lehnrechtliches Vessahren, läßt sie aber gleichzeitig auf denselben 
Reichstagen verhandeln. Weshalb dann die Scheidung? 
Das einzige Dokument, das wir über den Prozeß besitzen, ist die kaiserliche 
Urkunde von Gelnhausen, den 13. April 1180, über die Verteilung der Heinrich 
aberkannten herzoglichen Rechte in Westfalen und Engern. Sie enthält eine ge- 
naue Begründung dieses Vorgehens und damit eine Zusammenfassung des gesamten 
gerichtlichen Verfahrens gegen Heinrich. Die Gelnhauser Urkunde muß also als 
Grundlage für den ganzen Gang des Prozesses dienen, über den wir sonst nur 
fragmentarische Nachrichten besitzen. Nach der Einleitung besagt sie (nach dem ver- 
besserten Abdruck bei Haller, Der Sturz Heinrichs des Löwen, S. 448 ff.; doch 
habe ich seine ebenso kühne wie unmögliche Konstruktion triano an Stelle quia nicht 
angenommen): 
Proinde tam praesentium qduam futurorum imperü fidelium noverit uni- 
versitas, qualiter Henricus quondam duxr Bawariae et Westphaliae, eo quod 
ecclesiarum Dei et nobilium imperli libertatem possessiones eorum occupando- 
et iura ipsorum imminuendo graviter oppresserat, ex instanti principum duerimonia 
et plurimorum nobilium, + quia citatione vocatus maiestati nostrae presentari 
contempserit et pro hac continuacia prinoipum et suase conditionis Suevorum 
proscriptionis nostrae inciderit sententiam, deinde quoniam in ecclesias Dei et 
principum et nobilium jura et libertatem grassarium destitit: tam pro illorum 
iniuria quam pro multiplici contemptu nobis exhibito ac precipue pro evidenti 
reatu maiestatis sub feodali iure legitimo trino edicto ad nostram citatus audien- 
tiam, eo dquod se absentasset nec aliquem pro se missiset responsalem, contumax 
indicatus est, ac proinde tam ducatus Bawariae quam Westphaliae et Angariae 
qduam etiam universa quae ab imperio tenuit beneficin per unanimem principum 
sententiam in sollempni curia Wirziburc celebrata ei abiudicata sunt nostroque 
iuri addicta et potestati. — Dann kommt die Verteilung der herzoglichen Rechte 
in Westfalen und Engern. 
Auffallend ist zunächst, daß in der Urkunde wohl die Verurteilung in Würz- 
burg, nicht aber die zu Kaina erwähnt wird. Sie gibt eine sorgfältige Aufzählung der 
Gründe und Phasen des Verfahrens, nennt aber dabei eine so überaus wichtige 
Phase wie die Achtung zu Kaina nicht. Das ist ein neuer überzeugender Beweis, 
daß hier nicht, wie Haller will, das ganze bisherige landrechtliche Verfahren durch 
die endgültige Achterklärung abgeschlossen und ein neues — lehnrechtliches — Ver- 
fahren begonnen worden ist; sondern daß die Abfasser der Gelnhauser Urkunde sich 
bewußt war, daß die Rechtsgültigkeit der Kainaer Verurteilung nicht unzweifelhaft 
war, sondern eine solche erst der Würzburger vorbehalten blieb, wo auch suae con- 
ditionis Suevi mit abgestimmt haben. Ubrigens hat Niese a. a. O. (u. a. S. 254). 
aus zahlreichen Beispielen bewiesen, daß die bloße Verhängung der Acht an sich 
den Verlust der Lehen noch nicht zur Folge gehabt und zumal die Familie des Ge- 
ächteten nicht betroffen hat, sondern nur diesen persönlich. 
Was uns an der Abfassung des Dokumentes ferner auffällt, ist die große Vorsicht, 
mit der es das Verfahren und das Urteil begründet. Ohne Zweifel gedachte Friedrich 
der Art, in der einst die Absetzung Heinrichs des Stolzen, gleichfalls vom bayerischen 
und sächsischen Herzogtum, für ungültig erklärt und diese Behauptung auch siegreich 
durchgesetzt worden war. Eine Wiederholung dieser Vorgänge wollte man ver- 
meiden. Also zunächst tritt der Kaiser nur als Gerichtsherr auf; als Kläger er-
	        
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