624 Kritische Erörterungen zum vierten Buche.
scheinen lediglich Fürsten und Edle. Mit großer Sorgfalt wird das Verfahren als
ein gesetzmäßiges dargestellt: Klage, dreimalige vergebliche Zitation, Kontumazial-
urteil, gefunden von den Standesgenossen des Angeklagten, und zwar auch solchen,
die, wie er, schwäbischen Rechtes waren. Gründe der Verurteilung waren: 1. Fort-
besebte Gewalttaten gegen Kirchen, Fürsten und Edle; 2. die Verachtung der kaiser-
ichen Majestät durch dreimalige Negierung der Zitationo); 3. Vernachlässigung der
gegen ihn ausgesprochenen Acht. Alles dies wird weitläufig entwickelt und zuletzt
wird noch hinzugefügt: 4. at praecipue pro ewidenti reatu maiestatis.
Es kann also dieser reatus maiestatis, der zuletzt als ein neues Gravamen erscheint,
und zwar als ein besonders wichtiges rgerihue, nicht in dem schon vorher sattsam
behandelten Nichterscheinen vor dem kaiserlichen Gerichte bestehen. Vielmehr bin
ich mit Weiland und Niese der Ansicht, daß hier ein Hinweis auf die ver-
weigerte Heeresfolge in Italien vorliegt. Er wird nicht weiter entwickelt, weil sonst
sich viele andere Reichsfürsten, die man verfolgen weder wollte noch konnte, in einer
wenigstens ähnlichen Lage sich befunden hätten wie Heinrich der Löwe. Ein Zusat,
der noch Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts zum Cod. A. 3 der Chronik
des Otto von Freising im Jahre 955 gemacht worden ist (Schulausgabe von Ad.
Hofmeister, 2. Aufl. [Hann. u. Leipzig 1912), S. 282 f.) bestätigt vollkommen
diese Auffassung: Imperator Fridericus ..9 cum Heinricum ducem opulentissimum
et potentissimum oborimen laesae maiestatis de Bacivaria expulisset.
Deshalb ist auch der Hochverrat nicht förmlich zum Gegenstande der Anklage ge-
macht worden; aber ihn unter den Urteilsgründen aufzuführen, wollte der Ver-
fasser der Urkunde doch nicht unterlassen.
Das ganze Verfahren wird ausdrücklich als sub feodali jure geschehen bezeichnet:
es ist also lediglich von einem lehnrechtlichen. nicht landrechtlichen Versahren die
Rede, das nunmehr seinen Abschluß gefunden hat. Ein beson deres land-
rechtliches Verfahren hat überbaupt nicht stattgefunden. Auch fürder ist ein solches
nicht eingeleitet worden; denn auf den Gelnhauser Tag folgt nur noch ein einziger,
wo die Angelegenheit Heinrichs verhandelt wurde, nämlich der Regensburger
(24. Juni 1180), und hier wurde lediglich die Übertragung des Herzogtums Bayern
vorgenommen. Vielmehr wurden beide Verfahren vom Beginne an miteinander
verknüpft. —
Mehrere Forscher, wie Weiland (Forsch. z. Deutsch. Gesch. VII (18671))
S. 178 ff.) und Schäfer (Histor. Zeitschr. LXXVI 1896), S. 385 ff.) haben die
Pegauer Annalen zur Grundlage ihrer Beurteilung des ganzen Prozesses gewählt:
allein dieselben sind nicht allein recht dürftig, sondern erfinden auch einen Nürnberger
Reichstag, der in dieser Sache nie stattgehabt hat. Sie sind also viel weniger zur
maßgebenden Basis geeignet, als die Gelnhauser Urkunde
Stellen wir nun zusammen, was die Quellen, abgesehen von der Gelnhauser
Urkunde, über das Verfahren gegen Heinrich sagen.
1. Haller (S. 411) will den Ausdruck feodali iure legitimo trino edlicto
citatus als einen dreimaligen Aufruf des Herolds an demselben Termine deuten.
Eine so groteske Erklärung wird sicherlich nirgends Anklang finden und wird auch
von Niese (a. a. O. S. 245) abgelehnt.
2. Also die Verurteilung erfolgte wegen Hochverrats, nicht aber die Anklage:
der Sachverhalt ergibt demnach gerade das Gegenteil der Behauptung von J. Fecker,
Forschg. z. D. Gesch., XI (1871), 301 ff.
3. Die Authentizität der Gelnhauser Urkunde ist, gegen die Bedenken Thudi-
chums und Heinemann,s, siegreich nachgewiesen von Scheffer-Boichorst: Zur
Geschichte des 12. und 13. Jahrhunderts (Berlin 1897, Nr. XI) und Deutsche
Zeitschr. f. Gesch. III, 320 ff.
3.
Eine der ältesten Quellen, die Ann. S. Petri Erphesfurdenses Maiores (Schul-
ausgabe 1899) sprechen erst von dem Würzburger Reichstage: „1180. Imperatore
euriam suam circa epipbaniam Domini apud Wirceburc habente Heinricus.
evidentibus indiciis Romani agnitus hostis imperü. praesenciam sui regie maiestat!
*) Das die Verurtellung wegen Ausbleibens des Herzogs bei den Gerichtstagen erfolgt sei, bestätigen
die schon 1181 abgeschlossenen Ann. S. Petri Erphenf. Malores, p. 67.