Kreuzzug gegen die Wenden. 95
verderblichen Folgen, von der anderen Verheerung und Vernichtung seiner
jungen, vielverheißenden Schöpfungen: für eines von beiden war es nötig
sich zu entscheiden. Aber trotz aller Bedenken mußte ihn endlich Verstand wie
Herz unzweifelhaft auf die deutsche Seite ziehen. Er antwortete, er dürfe
die Fürsten nicht beleidigen und könne deshalb den Obotriten nicht beistehen.
Freilich war nun auch Niklot in seinem Rechte, als er dem Grafen für den
Bundes- und Freundschaftsbruch schlimme Vergeltung androhte. Nur mit
Mühe konnte er in Erinnerung an das langjährige gute Verhältnis zu dem
Versprechen gebracht werden, dem geängsteten Grafen jeden gegen ihn be-
absichtigten Kriegszug vorher ansagen zu wollen. Nachdem er diese Zu-
sicherung erhalten, befahl der Graf, etwas beruhigt, seinen Untergebenen,
ihr Hab und Gut sorgfältig vor slawischen Dieben und Räubern in acht zu
nehmen, der öffentlichen Gefahr werde er selbst zu begegnen wissen").
Aber sie brach schneller herein, als man vermutet hatte. Während die
Deutschen noch langsam rüsteten und zögerten, kam ihnen Niklot durch einen
kühnen Handstreich zuvor. Plötzich erschien er mit einer großen Flotte vor
der Travemündung und sandte, in hinterlistig wörtlicher Erfüllung des ge-
gebenen Versprechens, erst an demselben Abend einen Boten nach Sigeberg
an den Grafen ab, um ihn von dem beginnenden Kriege zu benachrichtigen.
Der Graf war unglücklicherweise von Sigeberg abwesend, so daß er nicht
das Mindeste von dem ihm drohenden Unwetter erfuhr, nichts tun konnte,
umsich davor zu schützen. Am folgenden Morgen rückte die Flotte der Slawen 25. Juni
gegen Lübeck vor. Zwar wurden die Lübecker von der Besatzung der bei der
Stadt befindlichen Burg gewarnt'“*.), aber im blinden Vertrauen auf den
Schutz des Grafen, trunken von den Festlichkeiten des heiligen Tages, ver-
schmähten sie es, sich in Verteidigungszustand zu setzen. Mit leichter Mühe
also zündeten die Slawen die reichbeladenen Schiffe im Hafen an, drangen
in die Stadt selbst ein und töteten dort mehr als 300 Menschen. Nur die
Burg hielt noch wacker Stand. Ungehindert durchstreiften die slawischen Juli
Reiterscharen ganz Wagrien; aber weil die Holsteiner eigentlich nicht im
offenen Kampfe gegen die Obotriten begriffen waren, schonte Niklot jener
edelmütig: doch die Gebiete der niederdeutschen Einwanderer, die er als
unberechtigte Eindringlinge in slawisches Besitztum betrachtete, ließ er ohne
Gnade verheeren t). Nur zwei feste Plätze widerstanden den Feinden, Eutin
und Süssel. In diese letztere Feste flüchteten sich die friesischen Anwohner,
die damals nur 100 streitbare Männer unter sich zählten, da die meisten
Familienhäupter gerade noch einmal in die Heimat zur Abwicklung der
2
) Helm. I, 62.
½% Es war der Tag vor demjenigen, qua sanctorum Joannis et Pauli veneranda
Pessio celebratur = 25. Juni, also der 24. Juni.
*#½% Nur so kann ich die orte Helmo’d. I. 63 esee Et cives Lubicanae urbis,
audito murmure exercitus, inclamaverunt lsie riefen auf] viros urbis, dicentes etc.
Miseruntque ad civitatem et ad forum, nunciantes eis imminens periculum.
) Krit. Erört. II 1.