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doppelt unrichtige Behauptung nicht annehmen, da sie genügt, jeden Ver-
such zu Unterhandlungen zur Unfruchtbarkeit zu verurteilen. Die alliierten
Nationen ertragen seit 30 Monaten einen Krieg, welchen zu vermeiden sie
alles getan haben. Sie haben durch Taten ihre Friedensliebe bewiesen.
Diese Friedensliebe ist heute so bestimmt wie im Jahre 1914 vorhanden.
Nachdem Deutschland aber seine Verpflichtungen verletzt hat, kann der ge-
störte Friede nicht auf seinem Wort wieder aufgebaut werden. Eine An-
regung ohne Bedingungen zur Eröffnung von Verhandlungen ist kein Frie-
densangebot.
Der angebliche Vorschlag, welcher jeglichen Gehaltes und jeglicher
Präzisierung entbehrend, von der Kaiserlichen Regierung in Umlauf gesetzt
wurde, erscheint weniger als ein Friedensmanöver, denn als ein Kriegs-
manöver. Der Vorschlag ist auf einer systematischen Unkenntnis des
Charakters des Kampfes in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in
der Zukunft begründet. Für die Vergangenheit übersieht die deutsche Note
die Tatsachen, die Taten, die Zahlen, welche darlegen, daß der Krieg ge-
wollt, provoziert und erklärt wurde durch Deutschland und Oesterreich-
Ungarn. Im Haag war es der deutsche Delegierte, welcher sich geweigert
hatte, jedem Vorschlag einer Abrüstung zuzustimmen. Im Juli 1914 war
es Oesterreich-Ungarn, welches nach einem Ultimatum ohnegleichen an Ser-
bien diesem den Krieg erklärte, obgleich es sofort Genugtuung erhalten
hatte. Die Zentralmächte haben damals alle Versuche, die von der Entente
unternommen wurden, dem lokalen Konflikte eine friedliche Lösung zu geben,
zurückgewiesen. Das englische Konferenzanerbieten, der französische Vor-
schlag zur Bildung einer internationalen Kommission, das Ersuchen des
Kaisers von Rußland an den Deutschen Kaiser, ein Schiedsgericht einzu-
setzen, die zwischen Serbien und Oesterreich-Ungarn am Vorabend des Kon-
fliktes bereits zustande gekommene Verständigung — alle diese Anstren-
gungen hat Deutschland teils ohne Antwort gelassen, teils ihnen keine Folge
gegeben. Belgien wurde durch ein Reich überfallen, das die belgische Neu-
tralität garantiert hatte, und das sich nicht scheute, die von ihm aner-
kannten Verträge als „Papierfetzen“ zu bezeichnen und den Satz aufstellte
„Not kennt kein Gebot“.
Für die Gegenwart stützt sich das angebliche deutsche Angebot aus-
schließlich auf die „europäische Kriegskarte“, die nur ein täuschendes, äußer-
‚liches und vorübergehendes Bild der Situation gibt, ohne die wirklichen
Kräfte der Gegner zum Ausdruck zu bringen. Ein Friedensschluß, der von
diesem Angebot ausginge, wäre allein zum Vorteil der Angreifer, die, nach-
dem sie geglaubt hatten, ihr Ziel in zwei Monaten zu erreichen, heute
feststellen müssen, daß sie es niemals erreichen werden.
Für die Zukunft verlangen die durch die deutsche Kriegserklärung ge-
schaffenen Ruinen, die unzähligen durch Deutschland und seine Verbündeten
begangenen Attentate gegen die Kriegführenden und Neutralen Genugtuung,