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sehen vermag, weil er sich sagt, das kann ich auch, wenn ich
will, ist ihm der preußische Offizier etwas Unnachahmliches und
schon deshalb Verabscheuungswürdiges. Der englische Offizier
ist ein bewaffneter Kaufmann oder Ingenieur, auch Kitschener war
nicht mehr. Der deutsche Offizier ist ein historischer Berufsstand
anderer Art. Das ist des Pudels Kern. Und seit nun gar dieser
Typ auch in der konkurrierenden deutschen Marine sich entwickelt
hat, ist der Zorn und die Sorge chronisch geworden, es könnte
aus diesem Typ einmal der Eroberer Englands, ein neuer Wilhelm
von der Normandie hervorgehen. Die Engländer haben sich diese
Angst so lange und so gründlich eingeredet, daß sie den Angriff,
den sie in der Zukunft von Deutschland her einmal für möglich
oder gar wahrscheinlich hielten, in der Aufregung der Juli- und
Augusttage 1914 für eine Wirklichkeit hielten und noch immer
zu halten vorgeben. Dieses selbstfabrizierte Gespenst also, der
preußische Militarismus ist so sehr der Alpdruck ihrer Träume
geworden, daß sie am 31. Juli/l. August 1914, als Rußland an-
griff und die ganze Kette der Mörlichkeiten aus den Tiefen empor-
rasselte, wirklich glaubten, der preußische Offizier stelle schon mit
einem Fuß auf englischem Boden. Und in diesem Glauben er-
hielten sie sich künstlich, als schon klar war, daß die Sache ganz
anders lag und in diesem Glauben, ın dem sie Deutschland den
Krieg erklärten, suchen sie mit allen Mitteln die „Welt“ zu ver-
hetzen, bis womöglich auch wir selbst es glauben sollten.
Leider hat das Geschwätz vom preußischen Militarismus von
England herüber lange Zeit auch in Deutschland schwächliche
und geschichtsunkundige Halbmänner eingefangen und ist in man-
chen Kreisen eine Hetze gegen das deutsche Öffizierswesen los-
gewesen. Diese krankhafte Abneigung gegen ein kerndeutsches
Volkselement fand teilweise im Klassenneid und in fremden Volks-
elementen Boden und ist von einem Teil der beweglichen Handels-
welt wohl auch draußen herumgetragen worden; besonders diejenigen,
die nicht Reserveoffiziere geworden waren, trugen einen giftigen
Stachel in sich und ließen ihn sehen. Manche neideten sich be-